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NSDAP-Wahlerfolge in regionaler Ausprägung © izrg

Bereits bei der Reichstagswahl am 20. Mai 1928 ist in Schleswig-Holstein eine Sonderentwicklung zu bemerken: Insgesamt erhält die NSDAP "nur" 4,1 % der Stimmen und bleibt Splitterpartei; doch in Dithmarschen erreicht sie bereits 18 % der Stimmen und im Kreis Steinburg noch über 10 %! Insgesamt dominiert bei diesen Wahlen bei den rechtsgesinnten Wählerinnen und Wählern der Provinz noch die DNVP mit 22,9 % der Stimmen, nach der Sozialdemokratie mit 35,1 % die zweitstärkste Partei.

Die NSDAP schafft den Durchbruch in Schleswig-Holstein zwischen 1928 und 1930: Stellt sie vor 1930 eine von mehreren völkisch-nationalistischen Gruppierungen dar, so ist sie fortan die dominierende Kraft des rechten politischen Spektrums. 1930 setzen in Reich und Provinz die beispiellosen Wahlerfolge der NSDAP ein. Dabei bringt die Wahl 1930 keine Stärkung des rechten Lagers insgesamt. Vielmehr drückt sich ein Umschichtungsprozess aus, der hier in der Provinz noch dramatischer ausfällt als auf Reichsebene: ein Aderlass von DVP und DNVP. Die "Landvolkbewegung" der Jahre 1928-1931 fördert diese Radikalisierung auf dem Lande: Mit ihrem aggressiven und Tatkraft suggerierenden Auftreten bietet sich die NSDAP den von ihren traditionellen Verbänden enttäuschten Anhängern als neue, radikale Alternative an, denn ideologisch gibt es keine oder nur marginale Unterschiede.

1932 kann die NSDAP bei der Juli-Wahl ihren Stimmenanteil noch einmal nahezu verdoppeln, auf provinzweit 51,1 %. Diesmal ist auch ein - regional und lokal verschieden ausgeprägter - Einbruch in die Wählerschaft der SPD zu verzeichnen, so dass die NSDAP sogar in allen Städten zur stärksten Partei wird, allerdings die absolute Mehrheit noch meist verfehlt.

Die Wahlerfolge der Nationalsozialisten weisen ein sehr unterschiedliches regionales Gepräge auf. Zum einen gilt generell ein klares Stadt-Land-Gefälle: In den industriellen Zentren der Provinz erzielt die NSDAP ihre schlechtesten Ergebnisse, hier dominieren in den Arbeitermilieus die Arbeiterparteien und bleibt die SPD bis 1932 die stärkste Kraft. Auf dem Land ist die Lage anders, jedoch regional verschieden: Auf dem Geestrücken erreicht die NSDAP Anfang der 1930er Jahre bis zu 80 %, also eine fast vollständige Zustimmung der Bevölkerung. In den Marschen an Elbe und Westküste stellt sich die Situation unterschiedlich dar, insgesamt aber auch pro-nationalsozialistisch, wobei sich Dithmarschen und Eiderstedt zu NS-Hochburg entwickeln. Im östlichen Hügelland erzielt die NSDAP dagegen keine besonderen Erfolge.

Die Erklärungsversuche von Rudolf Heberle schon in den 1930er und Gerhard Stoltenberg in den 1960er Jahren gehen von der gesellschaftlichen Schichtung aus: Im östlichen Hügelland dominieren die Gutsherrschaft mit klaren Folgen für das Oben und Unten, für die "Klassenlage" der Menschen, die sie auch fühlen. Auch in den Marschen gibt es nicht unerhebliche Unterschiede zwischen Groß- und Kleinbauern sowie Landarbeitern. In beiden Gebieten behauptet sich das hergebrachte Parteienspektrum. Auf der ärmlicheren Geest gibt es die geringsten sozialen Unterschiede zwischen besitzenden Bauern und unterbäuerlichen Schichten. Hier herrscht ein Gefühl gemeinsamer Interessen und gemeinschaftlichen Landlebens vor, wie es romantisierende Traditionen überliefern. Deshalb verfangen "Volksgemeinschafts"-Parolen gut.

Während die NSDAP in Dithmarschen und Steinburg bereits 1928 Wahlerfolge erzielt und anschließend mit der Landagitation Mittelrücken und Westküste förmlich aufrollt, stellt sich der Erfolg im Kreis Südtondern erst phasenverschoben ein, obwohl die agrarstrukturellen Voraussetzungen gleich und die Folgen der Grenzziehung 1920 mit der Teilung des Kreises besonders drastisch ausgefallen sind. Als Hauptursache nennt Wilhelm Koops (1993) die späte organisatorische und personelle Profilierung der NSDAP, vor allem mangelndes propagandistisches Engagement. Nach Anfangserfolgen innerhalb der friesischen Volksgruppe im Jahr 1930 gelingt dann aber 1931 der umso rasantere Durchbruch im Kreis insgesamt; im März 1933 erreicht die NSDAP hier mit 73,5 % die höchste Zustimmung.

Auch in Stadt- und Landkreis Flensburg beginnt der Aufstieg der NSDAP erst 1931. Abgesehen von personellen Problemen der NSDAP gilt hier, dass im industriestädtischen Bereich die Arbeiterbewegung verankert ist, während im ländlichen Angeln eine traditionsstarke bäuerliche Schicht den Ton angibt, die bei der Mischwirtschaft geblieben ist und die die Wirtschaftskrise deshalb erst 1931 erreicht. Diese ländliche Elite fühlt sich weiter von der DNVP vertreten. Für die Industriestadt Neumünster gilt: Frühes, 1925 einsetzendes Engagement von Nationalsozialisten in der Stadt mit nur begrenztem Erfolg, Durchbruch der "Bewegung" mit der Landagitation im Kreis Bordesholm ab 1930. Als letztes Beispiel Lauenburg: Hier gewinnt die NSDAP anfangs nur in den Städten Anhänger, wobei Mölln mit Abstand die "braune Hauptstadt des Kreises" bildet. Das Wählerpotential liefert die kleinstädtische, protestantische Bevölkerung, insbesondere Handwerker und Gewerbetreibende. Da die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft hier aufgrund der Mischwirtschaft relativ stabil ist, kann die NSDAP in der Landbevölkerung erst 1931 durch die Unterwanderung der bäuerlichen Interessenvertretung, des "Land- und Bauernbundes" den Durchbruch erzielen.

Siehe auch:

Landvolkbewegung
Deutschnationale Volkspartei (DNVP)
Reichstagwahlergebnisse
Erklärungsversuche
Ein dringlicher Wahlaufruf.
Landvolkbewegung

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