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KZ Husum-Schwesing und Ladelund © izrg

Am 26. September 1944 treffen etwa 1.500 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Neuengamme in Husum-Schwesing ein. Sie bilden ein neues "Außenkommando", um im Auftrag der Wehrmacht militärisch sinnlose Verteidigungsanlagen an der Nordseeküste und entlang der dänischen Grenze zu bauen: Der "Friesenwall" soll eine Landung der Alliierten an der Nordseeküste verhindern, die nördliche "Riegelstellung" vor einer Invasion aus Dänemark schützen. Nur durch Hitlerjugend, "Reichsarbeitsdienst" (RAD), "Freiwillige" und "Dienstverpflichtete" sind die Arbeiten nicht zu bewältigen, die Arbeitskraft von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitenden und auch noch KZ-Häftlingen wird benötigt.

Die Häftlinge müssen im schweren Marschland nur mit Schaufel und Spaten einen vier bis fünf Meter breiten und drei Meter tiefen Panzergraben ausheben sowie Gefechtsstellungen und Unterstände bauen. Teilweise stehen sie den ganzen Tag in kaltem Wasser und Schlamm. Dabei sind sie den Schlägen der "Kapos" ausgesetzt: Das sind meist deutsche, mit dem grünen Winkel der "Berufsverbrecher" gekennzeichnete, "Funktionshäftlinge" die zur Arbeit antreiben sollen, dabei oft willkürlich terrorisieren. Ältere "felddienstunfähige" Marinesoldaten bewachen die Häftlinge bei der Arbeit und dem oft kilometerlangen Weg dorthin.

Die SS unter der Leitung des brutalen Kommandanten Hans-Hermann Griem bringt die KZ-Insassen in einem ehemaligen, nun baufälligen Lager der Wehrmacht unter, das mit Stacheldraht umzäunt und mit Wachtürmen ausgestattet wird. Im für etwa 400 Personen ausgelegten Lager sind bis zu 2.500 Häftlinge aus den Niederlanden, Frankreich, Polen, der Sowjetunion, Dänemark und anderen europäischen Ländern eingesperrt. Sie schlafen auf Holzpritschen oder auf dem Boden in unbeheizten Baracken, erhalten keine ausreichende Ernährung, die hygienischen Bedingungen sind katastrophal; Seuchen, vor allem Durchfallerkrankungen breiten sich aus, kleinste Kratzer führen zu schwersten Infektionen.

Der dänische Häftlingsarzt Paul Thygesen zählt Ende November über 700 Kranke, die er ohne Instrumente, Medikamente und Verbandsmaterial zu behandeln versucht. Er beschreibt 1945 "Mosaikstücke", die "einen Begriff von der Hölle des Konzentrationslagers" vermitteln können: "Die systematische Aushungerung; die elende Kleidung, insbesondere das verbrecherische Schuhzeug; das ständige Ausgesetztsein gegenüber Mißhandlungen; das Heimweh; die fürchterlichen Wohnverhältnisse mit ihrer katastrophalen Zusammenballung von Menschen; die unbeschreiblichen hygienischen Umstände; die Zwangsarbeit, deren Härte und Bedingungen insgesamt in einem krassen Mißverhältnis zur Physis der Gefangenen und der allgemeinen menschlichen Leistungsfähigkeit standen; und dies alles übertreffend: die totale Unfähigkeit der Lagerleitung und ihr Mangel an Respekt gegenüber den meisten elementaren, menschlichen Erfordernissen und Lebensvoraussetzungen."

Jeden Tag sterben Häftlinge bei der Arbeit oder in den Baracken. Insgesamt lassen bis zu seiner Auflösung am 21. Dezember 1944 zwischen 300 und 500 Häftlinge im Lager Husum-Schwesing ihr Leben. Sie werden in Massengräbern auf dem Husumer Ostfriedhof verscharrt. Am 1. November verlassen etwa 1.000 Häftlinge Husum-Schwesing. Zusammen mit weiteren 1.000 Gefangenen aus Neuengamme treffen sie in Achtrup ein, von dort marschieren sie zu Fuß nach Ladelund, das wenige Kilometer südlich der dänischen Grenze liegt. Auch sie leben in einem ehemaligen RAD-Lager. Die Bedingungen sind genauso katastrophal wie in Husum-Schwesing; innerhalb der sechs Wochen bis zur Auflösung des Lagers am 16. Dezember 1944 sterben 300 Häftlinge in Ladelund. Sie werden auf dem örtlichen Friedhof begraben.

Circa 100 der Ladelunder Toten kommen aus der kleinen niederländischen Stadt Putten. Als "Vergeltung" für einen Anschlag auf ein Wehrmachtsfahrzeug vom 1. Oktober 1944 in der Nähe von Putten, bei dem ein deutscher Offizier stirbt und zwei verwundet werden, lässt der von der Insel Föhr stammende Wehrmachtsbefehlshaber der Niederlande, General der Flieger Friedrich F. Christiansen, den Ort niederbrennen und die männliche Bevölkerung zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportieren: 602 Männer aus Putten landen in Neuengamme oder seinen Außenlagern; 540 kehren nicht zurück.

Der dänische Häftling Benjamin Morch (1922-1990) stellt in seinen Erinnerungen die Frage "Wer überlebt eigentlich einen solchen Ort?" Seine Antwort: "Eine Sache ist von größter Wichtigkeit: Man muß Glück haben, sehr viel Glück, und man muß normal gebaut sein." Aufgrund ihrer selbst im Vergleich mit anderen Lagern fürchterlichen Bedingungen gelten Ladelund und Husum-Schwesing unter den Häftlingen als "Todeslager". Schätzungen nach durchliefen bis zu 5.000 Gefangene diese Außenkommandos. Genaue Zahlen wie auch die Summe der Toten sind nicht bekannt. Zahlreiche Häftlinge sterben nicht in den Lagern, sondern bei Transporten.

All dies spielt sich mitten in Nordfriesland ab, unter den Augen der Schwesinger, Husumer und Ladelunder Bevölkerung, die die ausgemergelten Gefangenen auf dem Weg zur Arbeit an ihren Häusern vorbeiziehen sieht. Manche versuchen durch kleine Gesten zu helfen, "die vorherrschenden Gefühle in der Bevölkerung aber waren ohnmächtiges Mitleid, Gewissensnot und - vor allem - die Angst bei Sympathiebeweisen für die Häftlinge deren Schicksal teilen zu müssen", wie der Historiker Jörn-Peter Leppien urteilt.

Siehe auch:

Eine Skizze des KZ Ladelund des ehemaligen Häftlings E. Wellerdiek um 1948.
Zeichnung des ehemaligen Ladelunder Häftlings H. P. Sørensen.

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