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Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Kai-Uwe von Hassel 1961 © izrg

Am 16. Januar 1961 greift Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel (CDU) zu einer ebenso ungewöhnlichen wie verteidigenden Maßnahme: Er rechtfertigte sich mit einer Regierungserklärung im Landtag vor der eigens angefahrenen nationalen und internationalen Presse, die angesichts der Skandale um unter anderem Hertha Oberheuser, Franz Schlegelberger, Werner Catel und Heyde/ Sawade der Landesregierung und mit ihr Justiz und Hochschulen Versäumnisse im Umgang mit der NS-Vergangenheit vorhält. Mit Formulierungen wie "Schlupfwinkel für die braune Pest" und "brauner Patronage in Schleswig-Holstein" oder der Beschreibung von "sich häufenden Unbegreiflichkeiten schleswig-holsteinischer Justiz" sind sogar konservative Blätter wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder der "Rheinische Merkur" in die von der "Frankfurter Rundschau" angeführte Berichterstattung über Schleswig-Holsteins Umgang mit der Vergangenheit eingestiegen.

Von Hassel weist alle Anschuldigungen als "pauschale(n) Verunglimpfungen unseres Landes und seiner Bevölkerung" von sich und will "mit der leidenschaftslosen Darstellung der tatsächlichen Vorgänge" seiner Verpflichtung nachkommen, "dass die Bevölkerung unseres Landes nicht in einen Misskredit kommt, den sie nicht verdient". Durch die Aufdeckungskampagne der Presse sieht er sogar den "politischen Neuaufbau" des Landes behindert. Er führt an, dass NS-Täter wie Oberheuser oder Schlegelberger bereits von den Alliierten wegen ihrer Taten im NS-Staat verurteilt worden seien, darüber hinaus gehende Sanktionen erschienen ihm nicht angemessen. Schließlich hätten sich die Angeschuldigten im Landesdienst nicht nur meist tadellos verhalten, sondern auch eine Reihe von Verdiensten in ihrem Beruf erworben, die von Hassel als positive Zeichen ihrer Abkehr vom Nationalsozialismus wertet. Weiterhin argumentiert er, dass "in den wenigen Fällen, in denen mangels genügender Kenntnis der Vergangenheit der eingestellten Beamten Personalentscheidungen getroffen wurden, die einer solchen Forderung nicht gerecht werden, … die Möglichkeit (besteht), das freiwillige Ausscheiden von Beamten zu erreichen." Der Ministerpräsident betont die Rechtmäßigkeit der Pensionszahlungen an ehemalige Nationalsozialisten und verweist auf eine schnelle und großzügige Entschädigung von NS-Opfern: "Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat aus dieser Grundanschauung die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts stets als sittliche Verpflichtung angesehen. Sie hat die Entschädigungsverfahren nachdrücklich beschleunigt und mit jedem nur vertretbaren Wohlwollen durchgeführt."

Abgesehen von den bekannten ein bis zwei Dutzend Fällen gebe es keine Probleme mit der Vergangenheit: "Ich meine, dass es bei dieser Situation geradezu bewundernswert ist und für die große Wachsamkeit aller demokratischen Parteien in unserem Lande spricht, wenn es so gut wie völlig vermieden werden konnte, dass sich Handlanger und Gehilfen nationalsozialistischen Unrechts in unsere Verwaltung einschlichen." Schließlich hätten sich 1945 in Schleswig-Holstein fast fünf Millionen Menschen gedrängt, darunter auch NS-Funktionäre, die sich teilweise falsche Identitäten verschafft hätten. Er wolle erinnern an die "Unruhe, die über dem Land lag" während der "Entnazifizierung" und versichere, eine zweite Aktion dieser Art werde es nicht geben, denn: "Das Werk dieser Aussöhnung, das Ziel der Wiedergewinnung aller Deutschen zur aufrichtigen und vorbehaltlosen Mitarbeit an unserem demokratischen Staat darf nicht gefährdet werden."

Siehe auch:

Kai-Uwe von Hassel

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