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Türkische „Gastarbeiter“ in Schleswig-Holstein © izrg

„Ohne Gastarbeiter geht es nicht!“ – Gemäß dieses Ausspruches des schleswig-holsteinischen Landessozialminister Karl Eduard Claussen im Jahre 1975, einigen sich 14 Jahre früher, im Oktober 1961, die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei nach einer langen Phase von Verhandlungen über die Vermittlung von türkischen Arbeitskräften in die deutschen Bundesländer. Das „Anwerbeabkommen“ – seit Mitte der 1950er Jahre gibt es schon Abkommen mit anderen Ländern – soll den Arbeitskräftemangel in Deutschland beheben. Gleichzeitig sollen türkische Arbeiter hier Kenntnisse und Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln, die sie nach ihrer Rückkehr in die Türkei anwenden können.

„Am Anfang war ja sozusagen Interesse da, weil man sich da nicht so kannte, weil noch nicht so eine große Menge Gastarbeiter da waren. Erstmal waren ja Vorurteile gegenüber Italienern, noch nicht gegenüber den Türken.“ So schildert der ehemalige türkische „Gastarbeiter“ und Vorsitzender der „Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein“ Ahmed Akkay Ende der 1990er in einem Interview die Reaktionen der deutschen Gesellschaft auf die emigrierten Arbeiter aus der Türkei. Viele Deutsche nehmen die türkischen Arbeitskräfte als „Gastarbeiter“ wahr; ein Begriff, der oft mit den Attributen „rückständig“, „arm“, „ungebildet“ und „anspruchslos“ verbunden ist.

Die türkischen Arbeitsmigranten in Schleswig-Holstein sehen sich mit massiven Anpassungsschwierigkeiten konfrontiert, die durch das Verhalten der deutschen Gesellschaft nicht kleiner werden. Besonders mit Sprach- und Verständigungsproblemen haben die „Gastarbeiter“ zu kämpfen. Eine Integration wird erschwert, weil die Türken keine Sprachkurse angeboten bekommen. „Wenn sie (die Gastarbeiter) ‚du‘ oder ‚Ali‘ oder ähnliches angesprochen wurden, konnten sie nichts dagegen sagen“, erinnert sich Ahmed Akkay.

Auch die Wohnsituation ist für viele türkische „Gastarbeiter“ nicht einfach. Lebten sie in der Türkei in ihren eigenen Wohnungen, müssen sie sich in Deutschland oft in „Wohnheimen“ mit Mehrbettzimmern einrichten, teilweise in alten Barackenlagern, die in der Nachkriegszeit für Flüchtlinge bestimmt waren. Andere – wie Lütfi Sapan, der 1971 bei der Kieler Werft HDW tätig ist – klagen über zu teure Mieten. Sein möbliertes Zimmer in einem alten Mietshaus in der Kieler Innenstadt koste ihn 250 DM, ein Drittel des Bruttogehalts, berichtet er. 1974 ergibt eine Umfrage in Kiel, dass türkische Arbeiter die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Gastland schätzten, während ihnen die Wohnsituation oft nicht angemessen schien.

Warum nehmen viele Türken das Angebot aus Deutschland wahr und verlassen ihre Heimat, um in der Fremde zu arbeiten? Oft sind es wirtschaftliche Gründe, die Türken dazu veranlassen, nach Deutschland zu gehen. Viele türkische Arbeitnehmer versprechen sich mehr individuelle Freiheit, die ihnen in der Türkei verwehrt bleibt, und bessere berufliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zukunft. Denn das „Anwerbeabkommen“ sieht für die türkischen Arbeiter ein Arbeitsverhältnis von zwei oder drei Jahren in Deutschland und dann die Rückkehr in die Heimat vor. Oft können die „Gastarbeiter“ diese Planungen jedoch nicht in die Tat umsetzen, wie Orhan Cerrah berichtet: Wie viele andere „Gastarbeiter“ holt sein Vater seine Familie nach Schleswig-Holstein statt nach wenigen Jahren zurück in die Türkei zu kommen. Ausschlaggebend ist, dass Herr Cerah nicht so schnell seine Sparziele erreichen konnte, wie er es gedacht hatte.

Siehe auch:

Gastarbeiter
"Zweite Generation"
Türkische "Gastarbeiter" in einer Flensburger Gaststätte 1981.
Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein
Ein türkischer Gastarbeiter in Flensburg
"Gastarbeiter" in Herrenwyk
Berührungspunkt Arbeit

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