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Kinderbetreuung © izrg

Auch wenn an der Grenze zwischen Schleswig-Holstein und Süddänemark keine Schlagbäume mehr stehen, in Bezug auf die Kinderbetreuung trennen die beiden Regionen Welten. Der Wunschtraum vieler Eltern in Deutschland, problemlos eine fachgerechte Tagesbetreuung für ihre Kinder zu finden, ist in Dänemark schon seit Jahren Realität. Im Jahr 2004 fanden in den alten Bundesländern nur 2,7 % aller Kinder unter drei Jahren ein Platz in einer Kinderkrippe; wenn beide Eltern ihren Beruf weiter ausüben wollen, müssen sie sich eine mehr oder minder ausgebildete private Tagesmutter suchen. Dänemark hat dagegen bereits 1998 ein Gesetz verabschiedet, das den Anspruch aller Kinder über sechs Monate auf Betreuung garantiert. Dieser Rechtsanspruch existiert nicht nur auf dem Papier: In Dänemark gibt es neben staatlichen Kindertagesstätten auch eine große Zahl professioneller, bestens ausgebildeter Tagesmütter, die den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung übernehmen. Dänische Mütter sollen sich nicht zwischen Kindern oder Beruf entscheiden müssen, sondern beides vereinbaren können. Sie sollen wissen, dass ihre Kinder tagsüber in guten Händen sind. In Dänemark existiert inzwischen das am besten ausgebaute Betreuungsangebot für Kinder in Europa.

Das Beispiel der Kinderbetreuung im süddänischen Egebjerg zeigt die Unterschiede in der Organisation der Kinderbetreuung sehr deutlich. Egebjerg ist eine ganz normale dänische Gemeinde mit etwa 8.800 Einwohnern und nicht reicher als vergleichbare deutsche Gemeinden. Doch schon bei den Tagesmüttern ist alles anders: Hier ist "Tagesmutter" ein anerkannter Beruf: Die Tagesmütter arbeiten als Festangestellte für die Gemeinde. Sie zahlen in die Sozial- und Rentenversicherung ein und haben natürlich auch einen Urlaubsanspruch wie alle anderen Angestellten. Lukrativ ist ihre Tätigkeit auch: Das Gehalt einer Tagesmutter liegt bei rund 2.800 Euro monatlich, ähnlich dem einer Verkäuferin oder Sekretärin. Damit die Kinderbetreuung für die Eltern aber bezahlbar bleibt, kostet ein Ganztagsplatz bei einer Tagesmutter sie aber nur 300 Euro monatlich, für Geschwisterkinder zahlen sie sogar noch weniger. Von so niedrigen Elternbeiträgen kann man eine professionelle Tagesmutter in Dänemark natürlich nicht bezahlen. Deshalb subventioniert die Gemeinde die Tagesmütter und schießt auch die fehlenden zwei Drittel für die tatsächlichen Kosten der Kinderbetreuung aus ihrem Haushalt dazu.

Die Dänen messen ihrer Kinderbetreuung viel mehr Wert zu als die Deutschen: Kinder bedeuten Zukunft - deshalb tragen in Dänemark alle die Verantwortung für das Wohl der Kleinen, nicht nur die leiblichen Eltern. Diesem Grundsatz stimmen alle gesellschaftlichen Gruppen zu. Die qualifizierte Betreuung und Förderung der Kleinkinder ist zur "nationalen Aufgabe" erklärt worden und deshalb sollen sich auch alle an den Kosten beteiligen. Weil Dänemark die Bedeutung der Kindererziehung erkannt hat, ist es auch bereit, dafür fast doppelt so viel Geld wie Deutschland auszugeben. "Tagesmutter" ist kein "Hobby" oder ein "Nebenverdienst", sondern ein vollwertiger Beruf, der eine gründliche Ausbildung erfordert. Tagesmütter haben mehr als 100 Stunden Fortbildung erhalten, zudem gibt es berufsbegleitende Beratung und Reflexion durch Sozialpädagogen der Gemeinde. Hier können Probleme oder Defizite einzelner Kinder besprochen werden und wenn nötig - in Absprache mit den Eltern ? Spezialisten hinzugezogen werden. Regelmäßiges Turnen in der Sporthalle, Ausflüge an den Strand oder in die Umgebung sind ein fester Bestandteil der Kinderbetreuung; die Gemeinden organisieren diese Aktivitäten und unterstützen sie finanziell. Damit sich die Kleinen wie zuhause wohl fühlen, betreut eine Tagesmutter nicht mehr als vier Kinder.

In Schleswig-Holstein können Eltern von solchen Verhältnissen zurzeit nur träumen. Nur drei von 100 Kindern unter drei Jahren bekommen im Jahr 2005 einen Krippenplatz und die Wartelisten auf einen Kindertagesstättenplatz sind extrem lang. Durch das "Tagesbetreuungsausbaugesetz" (TAG) vom Januar 2005 soll sich das bessern. Es sollen 230.000 zusätzliche Betreuungsplätze aus dem Boden gestampft werden. Im Jahr 2010 will der Staat so in der Lage sein, bundesweit für 30 % aller unter dreijährigen Kinder einen Platz in einer Kinderkrippe oder bei einer Tagesmutter anbieten zu können. Trotz dieser Initiative bleibt die gewaltige Lücke zwischen Angebot und Nachfrage noch auf Jahre hinaus ein großes gesellschaftliches Problem. Mütter stehen oft vor der Wahl zwischen Kindern oder Beruf.

Vor allem Tagesmütter sollen jetzt schnell Abhilfe schaffen. Doch bisher gibt es in Schleswig-Holstein, wie in den anderen alten Bundesländern, kaum ein Verfahren, das sicherstellt, dass fähige und ausgebildete Tagesmütter Kinder betreuen. Erst jetzt beginnt man, sich Gedanken über die Ausbildung der Tagesmütter - und vereinzelt auch der Tagesväter - zu machen. Bisher gibt es weder einheitliche Maßstäbe für die Betreuerinnen noch vorgeschriebene Eignungstests. Bis jetzt hängt viel vom persönlichen Engagement der Tagesmutter ab. Auch ist Deutschland noch weit davon entfernt, die "Tagesmutter" als einen regulären Beruf anzuerkennen; "Tagesmutter" gilt als eine "Zusatztätigkeit". Außerdem verdient eine Tagesmutter mit vier Pflegekindern nach Abzug aller Ausgaben in der Regel nur etwa 900 Euro im Monat. Kleinkinderbetreuung ist in Schleswig-Holstein meist privat organisiert: Ein oder mehrere Elternpaare beschäftigen über einen "Tagesmütterverein" oder ganz privat eine Tagesmutter.

Siehe auch:

Familie und Beruf

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