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Debatten um Webers Werk © izrg

Über wenige Künstler haben so viele wissenschaftliche und öffentliche Diskussionen stattgefunden, wie über A. Paul Weber. Die Auseinandersetzungen drehen sich vor allem um Webers Gesinnung, seine Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und um sein Handeln im "Dritten Reich" in der Zeit nach seiner Verhaftung 1937. War Webers Kunst ein Ausdruck von Widerstand gegen das NS-Regime? Sah er als einer der wenigen voraus, in welches "Verhängnis" Hitler und der Nationalsozialismus führen würden? Oder passte er sich den Gegebenheiten an, mehr noch, kämpfte er Ende der 1930er Jahre mit seiner Kunst an der "Heimatfront"? Stellte er seine Kunst in den Dienst nationalsozialistischer Propaganda?

Umstritten sind beispielsweise die Umstände von Webers Verhaftung im Jahr 1937. Wird er wegen der Mitgliedschaft im "Widerstandkreis" verhaftet, oder eher auf Grund "unliebsamen Verhaltens", wie Wegbleiben von einer Volksbefragung und der Weigerung, die nationalsozialistische Hakenkreuzfahne bei sich zu flaggen? Wieso sind seine Haftbedingungen (vergleichsweise) so "erträglich", dass er selbst die Haft später "als eigentlich großes Erlebnis" darstellt, das es ihm erlaubt habe, gute Fortschritte in der Arbeit zu machen?

Nach seiner Haftentlassung zieht sich Weber nach Schretstaken zurück. Auch über die Jahre zwischen 1937 und 1945 gibt es in der Forschung sehr unterschiedliche Einschätzungen: Während die Verteidiger Webers von einer "ständigen Bedrohung durch die Gestapo" sprechen, weisen seine Kritiker dies als unbewiesene Behauptung zurück und sprechen davon, dass Weber Auftragsarbeiten für das NS-Propagandaministerium übernommen hätte. Weber arbeitet, erhält kein Malverbot, veröffentlicht in Büchern und auf Ausstellungen. Vor allem um die Interpretation zweier Bilderreihen drehen sich die Auseinandersetzungen: die "Britischen Bilder" und den "Leviathan-Zyklus".

In den 1940er Jahren veröffentlichten "Britischen Bildern" - die dem Künstler den großen Durchbruch ermöglichen - setzt sich Weber scharf mit dem industrialistisch-kapitalistischen und imperialistischen England auseinander. Das Bild "Sklavenhändler" zeigt beispielsweise ein voll beladenes Sklavenschiff, ein anderes Blatt stellt zwei abgemagerte Gestalten mit einer Kohlenlore unter Tage dar. Einige Zeichnungen verweisen noch wesentlich schonungsloser auf die gewalttätige britische Kolonialpolitik. Zahlreiche nationalsozialistische Zeitungen veröffentlichen die Bilder.

Webers Anhänger sehen diese Zeichnungen nicht als gegen "den Engländer" schlechthin, sondern gegen die "imperialistischen Ausbeutungszüge des englischen Großkapitals" gerichtet, die quasi "durch die Blume" auch das faschistische Großmachtstreben der Nationalsozialisten angreifen. Sie seien wohl "patriotisch", aber nicht primitiv, hasserfüllt und polemisch, wie die nationalsozialistische Propaganda. Die Veröffentlichungen in nationalsozialistischen Publikationen erklären manche Verteidiger Webers damit, dass die Nationalsozialisten verkaufte, verschenkte oder beschlagnahmte Blätter ohne Webers Zutun, für ihre Ideen und propagandistischen Ziele vereinnahmten. Kritiker verweisen auf Arbeiten im Auftrag des Propaganda-Ministeriums und vor allem auf die eindeutig antisemitischen Motive in den "Britischen Bildern" - beispielsweise nach klassischen Stereotypen eindeutig als jüdisch zu erkennende Spekulanten auf einem Trümmerfeld. Zudem verweisen sie auf die starke antibritische Propaganda. Weber selbst verweist auf der einen Seite auf die Notwendigkeit in nationalsozialistischen Blättern zu publizieren, um seine Existenz zu sichern und weiter arbeiten zu können. Zum anderen erläutert er mit großem zeitlichen Abstand in einem Brief 1978: "...meine Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber war durch meine Arbeiten eindeutig klar... Es ist selbstverständlich, dass ich demzufolge auch verfolgt wurde. Während alle Künstler von den Ankäufen ihrer Werke zur Ausschmückung neuer Ämter, Kasernen, Kasinos der Wehrmacht lebten - erwarb man von meinen Bildern nicht ein einziges Stück... Auch die Annahme, ich hätte die Englandbilder dem Hitler zu Propaganda gearbeitet ist ein dummer Kohl - haben die Millionen Soldaten dem Adolf zuliebe geschossen - Bomben geworfen - getötet? oder taten sie es für Deutschland." - eine durchaus kritisch zu betrachtende Aussage.

Ähnlich umstritten sind Blätter aus dem "Leviathan-Zyklus", in denen sich der Zeichner mit russischen Motiven auseinandersetzt: Antirussische Propaganda oder allgemeine Anklage gegen Krieg, Hunger und Elend?

Eine endgültige Bewertung fällt schwer. Webers Biografie ist ebenso vielschichtig wie sein Werk. Auf jeden Fall müssen alle Phasen seines Lebens berücksichtigt werden, nicht nur die Zeit nach 1945, als teilweise eine zu eindeutige Einordnung Webers als antinationalsozialistischer Künstler erfolgt ist. - Auch der Künstler selbst und das Ratzeburger "A. Paul Weber-Museum" haben daran durchaus einen Anteil. Schwierig ist die Bewertung auch, weil manche der umstrittenen Werke Webers in der Nachkriegszeit leicht, aber entscheidend verändert publiziert worden sind. Obwohl sich Weber unstrittig in einer Gegnerschaft zu Hitlers Nationalsozialismus befand, war er sicherlich kein Widerstandskämpfer. Entsprechende Würdigungen des Künstlers reichen zu kurz. Seine antidemokratischen, antisemitischen und nationalistischen Zeichnungen sind nicht zu übersehen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass der Mensch und Künstler A. Paul Weber sich in seinen Haltungen und Positionen nicht entwickelt oder verändert haben mag.

Für alle Grafiken des in Anzahl und Aussage schwer zu fassenden Werkes Webers gilt: Sie sind aussagekräftig, oft bissig, ungemein vielschichtig und zeigen eines deutlich: Das Verständnis der Bilder hängt maßgeblich vom zeitlichen Hintergrund des Betrachters und seiner Perspektive ab. Teilweise sagen uns die Bilder heute etwas anderes, als der Künstler ursprünglich im Sinn hatte.

Siehe auch:

A. Paul Weber: "Hitler - ein deutsches Verhängnis"
A. Paul Weber (II)

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