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Ungemalte Bilder © izrg

Am 23. August 1941 erreicht die Ächtung Noldes ihren Höhepunkt: Die „Reichskulturkammer“ teilt dem Maler in einem Einschreiben mit, dass seine Werke nicht den Anforderungen entsprechen und dass er aus der „Reichskammer der bildenden Künste“ ausgeschlossen wird. Dadurch wird Nolde jede berufliche Betätigung auf den Gebieten der bildenden Künste untersagt.

Das „Malverbot“ trifft den schleswig-holsteinischen Künstler schwer: Die Pinsel gleiten dem Maler regelrecht aus den Händen. Nolde fügt sich nach außen hin dem Verbot, doch er leidet seelisch sehr darunter. Angebote zu emigrieren, selbst in das benachbarte Dänemark, lehnt der Maler ab. Er zieht sich auf Seebüll zurück.

Im Jahr 1938, also ein Jahr nach seinem siebzigsten Geburtstag und drei Jahre vor dem ausgesprochenen „Malverbot“, beginnt Nolde in einem verschwiegenen, entlegenen Hauswinkel mit der Arbeit an seinen so genannten „ungemalten Bildern“. Zu erklären ist diese Tatsache damit, dass Nolde sich schon 1937, spätestens durch die Ausstellung „Entartete Kunst“, bedrängt fühlt. Seine „innere Emigration“ beginnt demnach schon vor 1941.

Als Vorläufer der „ungemalten Bilder“ zählen die Hooge-Aquarelle, die während der Osterwochen 1919 auf der nordfriesischen Hallig Hooge entstehen: Die Hooge-Aquarelle malt der Künstler unter ähnlichen Voraussetzungen und in einer vergleichbaren Situation in großer Einsamkeit. Eine weitere Parallele zu den später entstehenden „ungemalten Bildern“ stellt die Tatsache dar, dass diese kleinen farbigen Entwürfe zu großen, wirklichen Bildern werden. Zwanzig Jahre später, in der Zeit zwischen 1938 und 1945 entstehen die „ungemalten Bilder“. Nolde malt heimlich viele hundert Aquarelle. Die Bildfolgen der „ungemalten Bilder“ reihen sich in die künstlerische Entwicklung Noldes ein, die immer wieder von Phasen des Rückzugs, in denen dem Maler in selbstverordneter Isolation Bildfolgen ganz eigener Art gelingen, geprägt ist.

Die äußeren Umstände hinterlassen ihre Spuren in Noldes künstlerischem Schaffen, so kann er nun nicht mehr in der Natur und auch nicht vor Modellen malen: Er ist auf seine inneren Bilder, seine Erinnerungen und seine Fantasien angewiesen. Der Künstler versucht in der Imagination ein Ventil für seine Bedrängnis zu finden.

In dieser Zeit entsteht nur ein einziges „ungemaltes Bild“, auf dem Nolde sich vermutlich kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt. Das Bild „Streitende“ kann als politisches Bild gedeutet werden. In diesem Bild treffen zwei ungleiche Gruppen auf einer Brücke (einem Spannungsbogen) aufeinander. Die aus dem unteren linken Bildrand kommende Gruppe ist unterwürfig, die andere Gruppe, die von rechts oben ins Bild hinein kommt, ist zum Teil uniformiert und wirkt aggressiv. Im Zentrum des Bildes steht der Wortführer der von rechts kommenden Gruppe. Es handelt sich um einen Uniformierten der Zeit mit geballter Faust. Es scheint, als habe Nolde einen SA-Mann in Aktion abgebildet. Markant ist der rote Stiefel, der exponierend nach außen gedreht ist. Wollte Nolde den Uniformierten veralbern? Hinter dem Roten-Stiefel-Träger versteckt sich ein Denunziant, der mit ausgestrecktem roten Zeigefinger auf die Personengruppe im linken Bildrand deutet, die an eine Darstellung der „Heiligen Drei Könige“ erinnert. Es scheint, als habe der Denunziant Blut an seinen Händen. Bei der dritten zugehörigen Person der Gruppe im rechten Bildrand handelt es sich um einen sich abwendenden Menschen, der einen verwirrten, verängstigten und unglücklichen Eindruck macht. Ein Mitläufer? Die Farben in diesem Bild sind bedrohlich dunkel. Vor allem die Farben der rechten Seite sind sehr düster, während die linke Seite etwas heller ist. Das Bild wirkt insgesamt einengend und beunruhigend. Es spiegelt Noldes Gefühl der Bedrängung in dieser Zeit wider.

Die Entstehung der vielen hundert „ungemalten Bilder“ zeigt sehr ausdrucksvoll die unbeirrte Haltung des sturen Malers. Im Künstlerischen geht Nolde während der gesamten NS-Zeit keine Zugeständnisse ein. Seine bildnerische Ausdrucksweise hat er nie verändern wollen.

Siehe auch:

"Gaut der Rote"
Entartete Kunst
Ada und Emil Nolde
"Streitende"

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