v i m u . i n f o
Dansk version

Demontage © izrg

"Einer Vernichtung der Werte aber, die wir für den Aufbau unserer Stadt gebrauchen, werden wir uns mit allen Mitteln widersetzen." Mit diesen Worten stimmt der spätere Oberbürgermeister Andreas Gayk auf einer Protestkundgebung am 13. Juni 1946 die Kieler Bevölkerung auf die weitgehenden Demontagepläne der britischen Besatzungsmacht ein.

Die Demontage von Industrieanlagen bildet einen wichtigen Bestandteil der alliierten Besatzungspolitik zur Entmilitarisierung des besetzten Deutschlands. Soweit die Rüstungsproduktionsstätten den Krieg unbeschadet überstanden haben, sollen sie nach alliierten Vorstellungen entweder zerstört oder abgebaut und als Reparationsleistung in den von Krieg am schlimmsten betroffenen Ländern wieder aufgebaut werden. Das industrielle Produktionsniveau soll etwa auf das von 1936 zurückgefahren werden. Obwohl die ersten Demontagen bereits in der zweiten Jahreshälfte 1945 beginnen, existieren keine präzisen Vorstellungen über Art und Umfang der abzubauenden Betriebe. Erst im Oktober 1947 veröffentlichen die Alliierten eine endgültige Liste mit zu demontierenden Betrieben, auf der sich auch 48 in Schleswig-Holstein befinden - hauptsächlich in Kiel und Lübeck.

Zu diesem Zeitpunkt haben sich auf dem Gelände der "HOLMAG" ("Holsteinische Maschinenbau AG") im Kieler Stadtteil Friedrichsort bereits dramatische Szenen abgespielt. Der einzige unzerstört gebliebene Kieler Großbetrieb steht als ehemaliger Standort der Torpedofabrikation bereits früh sehr weit oben auf den alliierten Demontagelisten, seit Kriegsende produzieren die rund 1.800 Beschäftigten der "HOLMAG" jedoch ausschließlich Güter der "Friedensindustrie": Dieselmotoren und -lokomotiven, Traktoren und Seilwinden. Die Belegschaft folgt dem Demontagebefehl nicht, besetzt stattdessen das Werksgelände und lässt sich auch nicht durch den Aufmarsch von britischen Soldaten mit Panzerspähwagen und dem Einsatz von 120 deutschen Polizisten dazu bewegen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Vier Wochen dauert der Ausstand. Erst dann ist ein Kompromiss erzielt, nämlich lediglich eine Teildemontage. Entgegen ersten Befürchtungen ist im Mai 1948 mit der Einrichtung einer neuen Gesellschaft, der MaK ("Maschinenbau Kiel AG"), auch der Standort Friedrichsort zu halten.

Ein Problem für die Kieler Wirtschaftsplanung bleibt jedoch die Nutzung des großen, wenn auch weitgehend zerstörten Industriegeländes auf dem Kieler Ostufer. Die letzten, immer von Protestkundgebungen begleiteten Sprengungen im Rahmen der Zerschlagung der Rüstungsproduktion finden im Mai 1950 statt, fünf Jahre nach Kriegsende. Es geht vor allem um Arbeitsplätze, allein in Kiel steigt die Arbeitslosenquote von 2,5% im Jahr 1948 auf über 22% drei Jahre später. Insgesamt gehen in Schleswig-Holstein durch die Demontage rund 90.000 Arbeitsplätze verloren, außerhalb Kiels und Lübecks vor allem in kleineren Rüstungsstandorten wie Eckernförde oder Geesthacht.

Langfristig betrachtet bedeutet die Demontage für die Schwerindustrie in der jungen Bundesrepublik jedoch auch eine - erzwungene - Modernisierung. Mit Hilfe des Marshallplans schaffen in den folgenden Jahren viele Betriebe neue, modernere Maschinen an.

Siehe auch:

Sprengung
Maschinenbau Kiel AG (MaK)
Kiel im November 1947
Germania-Werft, Kiel
Widmungstafel

Um diese Inhalte anzusehen, wird der Flashplayer 9 benötigt. Zum Download
multimediaMultimedia
videoVideo
case storyFallbeispiele
photosAbbildungen
imageBiografien
lexiconLexikon
bibliographyLiteratur