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Die Carlshütte in Büdelsdorf/Rendsburg © izrg

Ein bezeichnender Sonderfall im Metallerstreik 1956/57 ist die "Ahlmann-Carlshütte KG" in Büdelsdorf bei Rendsburg. Seit 1937 führt dort die Unternehmerwitwe und seit 1954 auch Vorsitzende des "Verbands Deutscher Unternehmerinnen", Käthe Ahlmann, rigoros das Zepter. Sie, die auf dem Werksgelände wohnt, hat das Unternehmen eigenhändig durch die Unwägbarkeiten des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit gelenkt und verkörpert buchstäblich die "Carlshütte". Besonders ist auch das Betriebsklima. Leben und arbeiten "auf der Hütte" hat Tradition, hier arbeiten ganze Generationen nebeneinander, mehr als die Hälfte der Belegschaft lebt in Büdelsdorf, in unmittelbarer Umgebung zum Werk.

Wohlweislich lässt die Streikleitung der "IG Metall" die "Carlshütte" bei ihrer Strategie der "flexiblen Eskalation" zunächst außen vor - erst zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Metallarbeiter in Büdelsdorf auch in den Ausstand treten. Im Vergleich zu allen anderen "IG Metall"-Verwaltungsstellen in Schleswig-Holstein (72%) ist der Organisationsgrad der Metallarbeiter in Rendsburg am schlechtesten; nicht einmal jeder Zweite (45,5%) ist Mitglied in der Gewerkschaft, die den Grund dafür genau kennt: Auf der "Carlshütte" herrscht traditionell ein nicht eben gewerkschaftsfreundliches Klima, die Bindung an den Betrieb und die Inhaberin ist enorm stark.

Früh, bereits vor der ersten Urabstimmung, appelliert die Unternehmensleitung an die Beschäftigten, nicht für den Streik einzutreten, sondern sich dem Unternehmen verpflichtet zu fühlen, zumal Streik mit hoher Sicherheit den Verlust von Arbeitsplätze nach sich zöge. Nach Beginn des Streiks handelt die Inhaberin schnell: Am 28. Oktober 1956, einem Sonntag, lässt sie ihre mehrheitlich in der "Deutschen Angestellten-Gewerkschaft" organisierten Werkmeister antreten und bereitet ihre eigene betriebsinterne Abstimmung vor. Am Montagmorgen wird die Belegschaft aufgefordert, sich per Stimmzettel zu entscheiden: "Ich will arbeiten" oder "Ich bin für Arbeitsniederlegung - Streik", unter dem unmissverständlichen Hinweis der Werksleitung, "dass wir uns im Streik der schleswig-holsteinischen Metallindustrie zu härteren Maßnahmen entschließen müssen." Der Betriebsrat der "Carlshütte" protestiert und ruft zum Boykott auf, man habe bereits bei der Urabstimmung abgestimmt. Zwecklos - dem sanften Druck der Unternehmensleitung fügt sich die Mehrheit der Arbeiter: Von 1.827 beteiligen sich - namentlich von den Werkmeistern erfasst - 1.418 an der Abstimmung, 1.100 stimmen für Weiterarbeit, nur 260 sprechen sich für einen Streik aus.

Aus Sicht der Unternehmer ist das ein wichtiger, ein symbolischer Sieg, zumal der kaufmännische Direktor der "Carlshütte" Dr. Hans Georg Schütte zugleich als Vorsitzender des "Arbeitgeberverbandes der Metallindustrie" in den Kammerbezirken Kiel und Flensburg agiert und sich zweifellos in seiner unnachgiebigen Linie bestärkt fühlt.

Als Alternative erwägen die Gewerkschaftler durch die Bestreikung der Gießerei, dem "Herzstück" der Produktionsabläufe, den Betrieb lahm zu legen. Zu einer Versammlung, zu der die "IG Metall" einlädt, erscheint jedoch nur ein Bruchteil der Gießereiarbeiter, weshalb die Bemühungen der Gewerkschaft, die "Hütte" in die geschlossene Front der streikenden Betriebe einzureihen, abgebrochen werden.

Das Beispiel der "Carlshütte" im Metallerstreik verdeutlicht, welche Bedeutung, neben der nicht zu vergessenden Anwendung mehr oder minder sanften Drucks, die gewachsene Bindung der Arbeiter an den Betrieb und der persönliche Einsatz der Unternehmerin für die Identität der Beschäftigten in einer zwar industriell, aber auch vor allem ländlich geprägten Region wie Rendsburg besitzt. Der langjährige Betriebsratsvorsitzende der "Carlshütte" und Sozialdemokrat Karl Böge liefert hierfür ein gutes Beispiel. Nachdem er maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass die "Carlshütte" nach dem Krieg von der drohenden Demontage verschont blieb, besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Böge und der Werksleitung. Er spricht sich gegen den Streik aus und wehrt sich gegen den Einfluss der "IG Metall" auf die Arbeiter der "Carlshütte".

Siehe auch:

Karl Böge
Ahlmann-Carlshütte KG
Rundbrief an die Belegschaft

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