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Bäderantisemitismus © izrg

"Unser Hotel ist judenfrei" - wen dieser Satz an die nationalsozialistische Judenverfolgung denken lässt, liegt nicht falsch - allerdings konnte man derartige Schilder bereits um 1900 in zahlreichen deutschen Badeorten an Nord- und Ostsee lesen.

So versucht beispielsweise 1908 der örtliche Badeverein in Büsum (vergeblich), sich in Werbeprospekten als "Deutsches Bad" präsentieren zu dürfen, "um damit die Juden aus Büsum fernzuhalten." In Borkum und anderswo stimmt die Kurkapelle bereits in den 1890er Jahren täglich das "Borkum-Lied" an, ein geifernd antisemitisches Hetzlied, und die Mehrzahl der Kurgäste singt begeistert mit. Jüdische Kurgäste - soweit sie es wagen, die sich freimütig als "antijüdisch" bezeichnenden Badeorte zu besuchen - müssen mit Abweisungen, Schmähungen auf offener Straße und bisweilen auch mit handgreiflichen Übergriffen rechnen.

Judenfeindschaft als "Werbebotschaft" - damit schmücken sich vor allem die "neuen", weniger etablierten Badeorte. So sucht sich Wenningstedt auf Sylt von dem mondänen Nachbarbadeort Westerland (beide gehörten bis 1927 zusammen) abzuheben, indem jüdische Gäste offen als unerwünscht abgewiesen werden. An der Ostseeküste ist es unter anderem Heiligenhafen, dessen Badeverwaltung sich damit rühmt, bereits in den 1880er Jahren bei jüdischen Gästen eine besonders hohe Kurtaxe zu verlangen. In der antisemitischen Presse wirbt Heiligenhafen mit der "Judenreinheit" des Bades. Damit lässt sich vor allem die kleinbürgerliche Gästeschaft gewinnen, die in jüdischen Gästen Konkurrenten um gesellschaftliches Ansehen zu erkennen glaubt. Dieser "gesellschaftliche" Antisemitismus lädt sich nach dem Ersten Weltkrieg zudem politisch auf und wird radikaler: völkische, nationale und antisemitische Parolen und Symbole zieren Prospekte und Strandburgen - ohne dass die Behörden einschreiten. Der öffentliche Raum wird - zumeist antirepublikanisch - besetzt und der Strand "politisiert".

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 sind es nun auch die offiziellen Stellen, Bürgermeister, Kurverwaltungen, die aggressiv die Verdrängung jüdischer Badegäste vorantreiben, lange bevor im Sommer 1937 das Reichsinnenministerium jüdische Gäste gänzlich vom Kur- und Badebetrieb ausschließen wird.

Siehe auch:

Das "Borkum-Lied"
Politisierte Strände
"Judenfrage"
Antisemitismus als Reklamemittel

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