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Travemünde in der Nachkriegszeit © izrg

Nach dem Zweiten Weltkrieg spürt Travemünde wie die meisten Seebäder zunächst noch die Folgewirkungen: Wegen der hohen Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen steigt die Einwohnerzahl im Vergleich zur Vorkriegszeit von 10.000 auf 16.000 an. Dennoch profitiert das Seebad auch, denn die nunmehr bundesdeutschen Touristen müssen sich durch die Gründung der DDR und die Abtrennung der ehemals deutschen Ostgebiete fortan mit einem Fünftel des Ostseestrandes begnügen. Mit dazu bei trägt 1949 die Wiedereröffnung des Casinos nach 77 Jahren. Das "nordische Monte" zieht schnell eine zahlungskräftige Kundschaft an. Einheimischen bleibt zunächst der Eintritt verwehrt - es sei denn in Begleitung von auswärtigen Geschäftspartnern.

Die Entwicklung zum Massentourismus erfasst auch den ältesten schleswig-holsteinischen Badeort, in dem bereits in den 1920er Jahren heftige Debatten über die zukünftige Ausrichtung als "Luxusbad" oder "Volksbad" geführt worden sind. Allein die Zahl der Betten steigt zwischen 1947 und 1957 um das Zehnfache auf 1.600. Bis 1967 erreicht die Zahl der Besucher über 70.000, die der Übernachtungen nahezu 300.000. Angesichts dieser Dimensionen können sich auch die Verantwortlichen in Travemünde nur schwer den zeitgenössischen architektonisch-städtebaulichen Planungsphantasien der Zeit entziehen. Ein Ende der 1960er Jahre vorgelegtes Modell entwirft die Verwandlung des einstmals exklusiven Seebads in eine Bettenburg, in ein "Klein-Benidorm": zehnstöckige Apartmenthäuser in Beton, Attraktionen wie ein Delphinarium, Aquarium, Restaurants, Ladenzeilen, Hubschrauberlandeplätzen und künstliche Inseln mit Kureinrichtungen sollen nun das Ufer säumen, bisher unbebaute Flächen wie der "Brügmann-Garten" im Strandbereich sollen der Vergangenheit angehören - Nutzungsverdichtung, wie es der Architektenjargon nennt. Als Höhepunkt des naiven Fortschrittsglauben und planerischer Blütenträume fassen die Verantwortlichen eine ausgedehnte, mit Atom-Strom beheizte Meerwasserzone ins Auge.

Derart weit reichende Baumaßnahmen bleiben zwar aus, dennoch ändert sich das Erscheinungsbild des Seebads Anfang der 1970er unwiderruflich. Dafür sorgt der 1973 fertig gestellte Bau des Gebäudekomplexes am Ausgang der Travemündung: Das monumentale Maritim-Strandhotel, 125 Meter und 35 Stock hoch, mit angeschlossenem Strandbad-Centrum, inklusive Wellenbad. Die Gefahr, mit einer solch monumentalen Bettenburg das gewachsene Erscheinungsbild massiv zu stören und damit die traditionelle Identität des ältesten schleswig-holsteinischen Seebads unwiederbringlich zu verändern, nehmen die Verantwortlichen nicht wahr. Erst die Leerstände in den Hotels seit Anfang der 1980er Jahre zwingen zum schrittweisen Umdenken.

Siehe auch:

Luftaufnahme Travemündes aus dem Jahr 2002
Travemünde
Gegenüberstellung
"Alt" und "neu" in Travemünde
Kurbereich
Travemünde: Ein Seebad im Wandel 1802-1973

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