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Neue Wege im Küstenschutz © izrg

Bereits in den 1920er Jahren erkennen die Menschen, dass es sich schon aus Kostengründen kaum mehr lohnt, neu gewonnenes Land einzudeichen und als landwirtschaftliche Flächen zu nutzen. In den 1930er Jahren dient die Landgewinnung den nationalsozialistischen Machthabern noch einmal zu Propagandazwecken im Sinne ihrer „Blut- und Bodenideologie“ – volkswirtschaftlich lohnen sich die Eindeichungen des „Adolf-Hitler-Kooges“ (1935) oder des „Herman-Göring-Kooges“ (1935) nicht. Der letzte zum Zwecke der Gewinnung von Ackerland fertig gestellte schleswig-holsteinische Koog ist 1954 der „Friedrich-Wilhelm-Lübke Koog“. Vor allem seit den 1950er Jahren erfährt der Küstenschutz einen stetigen Wandel, was die technische Umsetzung und vor allem seine Ziele betrifft.

Alle Eindeichungen bis in die jüngste Vergangenheit – wie der „Fahretofter Koog“ (1988) oder der „Ockholmer Koog“ (1990) – erfolgen seitdem nur noch unter dem Gesichtspunkt der Deichverkürzung mit dem Ziel einer höheren Küstensicherheit. Derzeit sind keine weiteren Vordeichungen in Planung (Stand 2001). Seit den 1970er Jahren kommt dem Naturschutz eine immer größere Rolle bei der Planung von Küstenschutzbauwerken zu: Eindeichungen und die Gewinnung von Neuland bedeuten seit jeher den Verlust ökologisch wertvoller Wattflächen, was Umweltschützerinnen und Umweltschützer immer wieder kritisieren. Zwar steht die Sicherheit der an den Küsten lebenden Menschen noch immer im Vordergrund, jedoch gilt es die Belange der Natur stärker zu berücksichtigen und möglichst nachhaltige Lösungen zu suchen. Heute dienen Landgewinnungsarbeiten nur noch dem Schutz der anliegenden Deiche. Ein intakter und ausreichend breiter Streifen Vorland soll bei Sturmflut das Meer bremsen, dabei einen Teil der Wellenenergie aufnehmen und somit mögliche Schäden am Deich verringern. Alle Eingriffe ins Vorland müssen möglich schonend durchgeführt werden.

Neben den bewährten Verfahren im Küstenschutz versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Küstenschützerinnen und Küstenschützer auch neue Wege zu beschreiten, um für viele Probleme bessere Lösungskonzepte zu entwickeln. So setzt der Küstenbau verstärkt auf alternative Materialien wie Geotextilien zur künstlichen Riffbildung und neue Verfahren zur Stranddrainage. Da gerade die Vorgänge im Wattenmeer sehr komplex und dynamisch sind, bedarf es oft langer Planungs- und Erprobungsphasen sowie ständig neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Vorgänge an der Küste. Erst wenn sich alternative Konzepte langfristig bewähren, finden sie auch ihre Anwendung im Küstenschutz.

Die Zahl der vom Küstenschutz auf irgendeine Art betroffenen Menschen ist ständig gestiegen. So sind auch vielfältige touristische und wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen. In der Vergangenheit gab es daher oft Streit über die „richtigen“ Maßnahmen im Küstenschutz. Aus diesem Grund taucht im neuen „Generalplan Küstenschutz“ von 2001 der zentrale Begriff des „integrierten Küstenschutzmanagements“ auf. Er sieht eine stärkere Beteiligung und Information der Öffentlichkeit bei zukünftigen Küstenschutzprojekten vor.

Zukünftig wird der Klimawandel den Bewohner von Nord- und Ostsee neue Anstrengungen abverlangen. Einige Wissenschaftler rechnen mit einem beschleunigten Meeresspiegelanstieg von bis zu einem Meter über dem heutigen mittleren Hochwasser im Jahre 2100. Sie fordern von der Politik ein teilweises Umdenken: Weg von einer Form des Küstenschutzes, die bedingungslos versucht, jeden Quadratmeter Boden gegen das Meer zu schützen, hin zu flexibleren Lösungen. Schließlich lassen sich die Deiche nicht beliebig erhöhen und nicht jeder Küstenabschnitt kann mit künstlichen Bauwerken gesichert werden. So kann es unter Umständen sinnvoll sein, nicht mehr jeden Teil der Küste vollständig gegen Überschwemmungen zu schützen, sondern teilweise Deiche und Küstenschutzbauwerke zurück zu verlagern und bestimmte Küstenabschnitte den natürlichen Abläufen von Nord- und Ostsee zu überlassen. Die der Natur zurückgegebenen Flächen könnten dann als natürliche Überflutungsflächen dienen, Abbrüche von Steilküsten nahegelegene Strandwälle und Nehrungen mit Material versorgen, was wiederum dem Schutz der Flachküsten zu Gute kommt. An Teilen der Ostseeküste wie in der Geltinger Birk wird dieses Verfahren bereits erfolgreich praktiziert.

Besonders prekär ist die Situation überall dort, wo Teile der Infrastruktur bereits jetzt in bedrohten Bereichen liegen, denn an diesen Stellen erfordern Küstenschutzmaßnahme meist erheblichen Aufwand; mancherorts wäre eine Rückverlegung auf längere Sicht eventuell sinnvoller. Küstenschutz ist – diese Entwicklung wird sich in Zukunft noch verstärken – nicht zu jedem Preis möglich: Da es Einzelpersonen oder Nutzergruppen schon lange nicht mehr möglich ist, den Küstenschutz aus eigener Hand zu finanzieren, wird der Staat Küstenschutzmaßnahmen in Zukunft nur bezahlen, wenn ein allgemeines Interesse besteht, was möglicherweise in absehbarer Zeit zu gesellschaftlichen Konflikten führen könnte; oder um es mit dem alten friesischen Wahlspruch in leicht abgewandelter Form zu sagen: „Wer es sich nicht leisten kann zu deichen, der muss weichen!“

Siehe auch:

Küstensicherung
Küstenschutz und Tourismus
Adolf-Hitler-Koog

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