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Der "Hindenburgdamm" © izrg

Westerland ist festlich geschmückt, Fahnen, Girlanden und Blumen zieren das Stadtbild. Die Insel hat sich lange auf diesen Moment vorbereitet. Es ist wärmer als an den Vortagen, aber es herrscht wahrlich kein „Kaiserwetter“, als der Zug am 1. Juni 1927 um kurz nach elf Uhr in den Westerländer Bahnhof II. Klasse einläuft und Reichspräsident Paul von Hindenburg von einer Delegation auf Sylt Willkommen geheißen wird. Der Reichspräsident soll „seinen“ Damm einweihen: den „Hindenburgdamm“, der Sylt an das Festland anschließt. Nicht alle Inselbewohner sind mit der Namensgebung einverstanden – bis in die Gegenwart hinein; doch alle Versuche, den Damm umzubenennen, sind bisher gescheitert. Auch Hindenburg selbst scheint sich nicht all zu viel aus dem Damm zu machen, reist er doch bereits wenige Stunden später schon wieder ab. Es sollte sein erster und letzter Besuch der Insel Sylt sein.

Mit der Fertigstellung des Hindenburgdamms endet eine Zeit, in der die Insel Sylt schwer zu erreichen war. Lange führt die Insel ein selbstständiges Dasein – „abgetrennt“ von der Obrigkeit. Doch den Vorteil der Eigenständigkeit bezahlt man mit der Güterabhängigkeit vom Festland. Zwar existiert seit 1854 eine regelmäßige Fährverbindung zwischen Hoyer und Munkmarsch; doch dieser Seeweg ist mühsam und unzuverlässig: Die Schiffe ankern im Wattenmeer, Gepäck und Waren müssen mit Fuhrwerken durch das Watt befördert werden, außerdem durchkreuzt das unbeständige Wetter die Fahrpläne. Die Nordsee überflutet bei Sturm die Anlegestellen, der Ostwind drängt das Wasser aus dem Wattenmeer oder Nebel macht die Orientierung unmöglich, so dass eine Reise sich um Stunden oder gar Tage verzögern kann. Aufgrund der beschwerlichen Reiseumstände verwundert es nicht, dass schon früh über Dammbauprojekte nachgedacht wurde. Verschiedene Varianten diskutiert man im Laufe der Zeit: So schlägt der Chronist C.P. Hansen 1856 vor, zwischen Keitum-Hoyer oder von Morsum oder Nösse nach Wiedingharde zwei parallel verlaufende Deiche zu bauen, um so eine große Fläche Marschland zu gewinnen und über diese eine Verbindung zwischen Sylt und dem Festland zu schaffen.

Entscheidend für den Bau einer Verbindung sind wohl zwei Ereignisse: Zum einen annektierte Preußen Sylt im deutsch-dänischen Krieg, zum anderen setzte der Bädertourismus nach der Eröffnung des Westerländer Seebades im Jahre 1855 ein. Aus diesem Grund wird die Linie Hoyer-Munkmarsch ausgebaut. Ab 1870 verkehrt die „Sylter Dampfschifffahrtsgesellschaft“ regelmäßig in den Sommermonaten von der neu gebauten Hoyer-Schleuse. Den Transport der Personen und Güter von Munkmarsch nach Westerland übernimmt die „Dampfspurbahn“. Die „Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft“ (HAPAG) richtet eine weitere Linienverbindung zwischen Hörnum und Hamburg ein. Die Besucherzahlen Sylts steigen weiter beständig – 1913 besuchten 32.201 Gäste Sylt – zudem erkennt die Marine in Sylt einen strategisch günstigen Vorposten. Unter diesen Voraussetzungen beginnen 1910 im Wasserbauamt in Husum die amtlichen Planungen zum Bau eines Dammes. Die umliegenden Nordseeinseln – vor allem Amrum und Föhr – kritisieren den geplanten Dammbau, fürchten sie doch um Badegäste und fordern Entschädigungen und den Ausbau der Fahrrinnen, um größere Schiffe und damit mehr Gäste anlanden zu können. Ihre Forderungen werden abgewiesen.

Der Erste Weltkrieg unterbricht den Strom der Badegäste und auch das 1913 verkündete Bauprojekt „Niebüll-Westerland“ jäh. Nach Kriegsende kommt es in der Provinz Schleswig-Holstein 1920 zum Abstimmungskampf um die Grenzgebiete. Die Gebiete um Hoyer entscheiden sich für Dänemark und Sylt fällt an das Deutsche Reich. Doch nun ist die Verbindung Hoyer-Munkmarsch und damit eine Verbindung vom deutschen Festland zur Insel Sylt unterbrochen. Im Abstimmungskampf hat die deutsche Seite damit geworben, den Dammbau voranzutreiben, doch die schlechte wirtschaftliche Lage mit hoher Arbeitslosigkeit, steigender Inflation und hohen Reparationszahlungen macht dies zunächst unmöglich. Ein Grund dafür, das Projekt dennoch voranzutreiben, mag der Wunsch einer Stärkedemonstration gegenüber Dänemark sein. Man kann Sylt – also „deutsches“ Gebiet – nur über dänisches Territorium erreichen; es ist zwar möglich, über die Verbindung Süderlügum-Tondern-Hoyerschleuse nach Sylt zu gelangen, doch machen hohe Zuschläge und strenge Pass- und Visavorschriften das Reisen schwer. Vor diesem Hintergrund scheint der Dammbau ein Prestigeobjekt zu sein.

1921 beginnen die Vorarbeiten, im Mai 1923 der Bau des Eisenbahndammes unter der Leitung des Baurats Dr. Pfeiffer. Die Verbindung soll an der schmalsten Stelle zwischen Sylt und dem Festland gebaut werden, denn dort treffen die Tidenwellen von Norden durch das Lister-Tief und von Süden durch das Hörnum-Tief aufeinander. Hier entsteht so eine Wasserscheide, das Watt liegt höher als an anderen Stellen, weshalb man bei Ebbe „trockenen Fußes“ übersetzen kann. Der Damm erhält die Form eines zweiseitigen Seedeichs, um ihn vor den Wellen zu schützen. Der Dammfuß ist 50 m breit und die Höhe des Damms beträgt 2 m mehr als die damals höchste Sturmflut gemessen worden ist. Die Dammkrone ist 11m breit; so soll der Bahnkörper vor Auswaschung durch Spritzwasser geschützt werden. Außerdem beweisen die Planer Weitsicht, denn so kann der Damm ohne weitere Arbeiten um eine zweite Eisenbahntrasse erweitert werden, was 1975 tatsächlich geschehen wird.

Eine schwere Sturmflut am 30. August 1923 macht die bis zu dem Zeitpunkt getätigte Arbeit mit einem Mal zunichte. Das benutzte Material hält den Wassermassen nicht stand. Die Arbeiten werden daraufhin aufgrund des bevorstehenden Herbstes und Winters eingestellt. Erst im Frühjahr 1924 gehen zwischen 1.000 und 1.500 Arbeiter wieder ans Werk und wenden nun eine andere Methode an: Während man im Vorjahr den Wattboden zwischen zwei von Buschdämmen gehaltenen Pfahlreihen gespült hat, entscheidet man sich nun, auf der Südseite entlang des gesamten Damms eine Spundwand zu bauen. Es handelt sich dabei um eine „Palisadenwand“, die das normale Hochwasser zwischen 25cm und 50cm überragt und mit Granitsteinen gesichert ist. Allein der Bau dieser Wand dauert bis September 1925. Das Material des Dammes entnimmt man nicht mehr dem Wattenmeer, sondern bringt es mit Hilfe von Kipplastern aus dem Binnenland herbei. Ab 1925 beginnt man dem Festland-Trupp von Sylt her entgegen zu arbeiten. Die notwendigen Materialien werden aus Husum per Schlepper, Segelschiff und Schute geliefert. Noch im selben Jahr werden die beiden Teilstücke miteinander verbunden. Im Herbst 1926 nimmt der Damm seine heutige Gestalt an. Er wird mit Sand (Spülboden) gefüllt und mit Tonboden des Morsumkliffs bedeckt, auf dem später die Eisenbahnschienen angebracht werden. Zudem erhält der Damm eine Bepflasterung bis zur Krone. Die Kosten des Projekts belaufen sich zusammen mit der Eisenbahnstrecke Klanxbüll – Westerland auf etwa 25 Millionen Reichsmark; die Bahn trägt den Großteil der Investition, Preußen beteiligt sich mit einem Zuschuss in Höhe von 3,5 Millionen Reichsmark. Der Dammbau allein verschlingt 18 Millionen.

Mit der Eröffnung des „Hindenburg-Damms“ und der Bahnstrecke tritt die Inselwirtschaft und die Inselgesellschaft in ein neues Zeitalter ein. Die Bahnanbindung bedeutet steigende Besucherzahlen für die Seebäder und damit einen enormen Modernisierungsschub. Auch wenn der Hindenburgdamm nicht mehr dem technischen Know-how von heute entspricht, weshalb ständige Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten notwendig sind, um den Damm gegen die Nordsee zu sichern und einen reibungslosen Betrieb gewährleisten zu können. Der Damm ist „untrennbar“ mit der Insel Sylt verbunden, bildet eine ihrer Lebensadern. Durchschnittlich gelangen 650.000 Besucher pro Jahr über den Eisenbahndamm auf die Nordseeinsel. Doch auch heute noch setzen vor allem viele Einheimische mit Schiffen zum Festland über.

Siehe auch:

Hindenburgdamm Slideshow
Hindenburg in Westerland
Sylt
Hindenburg in Morsum

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