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Küstenschutz an der Ostseeküste © izrg

Schleswig-Holstein und Süddänemark ist eine Region zwischen zwei Meeren. Bei den Themen Küstenschutz und Sturmflut denken viele Menschen automatisch an die Nordsee und vergessen dabei, dass auch die Ostsee bei Extremwetterlagen gefährlich sein kann und so mancher Hafen von Zeit zu Zeit unter Wasser steht – wie zuletzt 1989 und 2006! In vielen Punkten unterscheiden sich die Belange des Küstenschutzes an der Ostküste von denen an der Westküste.

Extreme Sturmfluten treten an der Ostsee nur selten auf. Zu besonders schweren Fluten kommt es hier, wenn verschiedene Wetterereignissen aufeinander folgen: Wenn tagelanger Sturm aus westlicher oder nordwestlicher Richtung große Mengen Nordseewasser in die Ostsee drückt, schwillt der Wasserpegel überall an. Durch den Wind steigt das Hochwasser im östlichen Teil der Ostsee besonders stark. Dreht der Wind dann auf östliche Richtung, schwappt das angestaute Wasser zurück. In der relativ kleinen Ostsee kann kaum Wasser in die Nordsee abfließen, so dass es zu einer Aufschaukelung der Wellen kommen kann – ein Effekt wie man ihn aus einer Badewanne kennt. Durch den lang anhaltenden Wind können zudem besonders große Wellenhöhen entstehen. Treten alle diese Effekte zusammen auf, ist mit einer schweren Sturmflut zu rechnen.

In Gegensatz zur Nordsee spielen die Gezeiten in der Ostsee kaum eine Rolle – in Kiel beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut beispielsweise etwa 15 cm. Dadurch erreichen die maximalen Höchstwasserstände generell niedrigere Werte als an der Nordsee. Gleichzeitig dauern die Hochwasserstände auf Grund der geographischen Bedingungen in der Ostsee wesentlich länger an. Wissenschaftler haben errechnet, dass der Energieeintrag auf die Küste und damit auch das Schadenspotential ähnlich hoch ist wie an der Nordsee.

Die schleswig-holsteinische Ostseeküste ist insgesamt etwa 640 km lang, wobei ca. 160 km auf die Ufer der Schlei und 90 km auf die Insel Fehmarn entfallen. Im Gegensatz zur „flachen“ Marsch liegen weite Teile der Ostseeküste als Überbleibsel der letzten Eiszeit einige Meter über dem Meeresspiegel. Nur etwa 320 Quadratkilometer liegen niedriger als 3 m über NN und sind als bedroht einzustufen. Somit ist die von Überschwemmungen bedrohte Fläche viel kleiner als an der Nordsee. Außerdem verfügt die Ostküste durch die fast 150 km lange Steilküste streckenweise über einen natürlichen Küstenschutz, der jedoch seit Jahrtausenden kontinuierlich von der See Meter um Meter abgetragen wird. Dieses Material wird zum Großteil von der Strömung parallel zur Küste abtransportiert, wo es sich dann an ruhigeren Stellen ablagert. Die so entstehenden Riffe, Nehrungen und Strandwälle können wiederum einen natürlichen Schutz der Flachküsten bilden. Überall, wo es nach jetzigem Kenntnisstand notwenig erscheint, wird die Ostseeküste durch künstliche Bauten vor dem Meer geschützt – momentan auf einer Länge etwa 120 km.

Das Thema Küstenschutz spielt im Bewusstsein der Ostküstenbewohner nur eine untergeordnete Rolle. Erst durch eine stärkere Besiedlung und Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzflächen am Anfang des 20. Jahrhunderts entsteht überhaupt die Notwendigkeit, Flächen vor Hochwasser zu schützen; die letzte schwere Sturmflut an der Ostseeküste fand vor über 130 Jahren statt. Im Gegensatz zur Nordsee liegen erst für die jüngere Vergangenheit zuverlässige Pegelstände an der Ostsee vor, weshalb langfristige Aussagen über das Auftreten von Hochwasserständen nur bedingt möglich sind und die Planung von Küstenschutzbauwerken sich schwierig gestaltet. In der Forschung ist umstritten, wie häufig mit Rekordhochwassern wie dem im November 1872 zu rechnen ist. Bis heute gilt der höchste bekannte Wasserstand – gemessen am 13. November 1872 mit 3,30 m über dem mittleren Tidenhochwasserstand in Travemünde – als Orientierung, da alle folgenden Sturmflutwasserstände mindestens einen Meter unter diesem Wasserstand lagen: Aus Sicherheitsgründen gehen die zuständigen Behörden bei der Planung von diesem Rekordwasserstand aus, zuzüglich eines Ausgleichs von 25 cm pro Jahrhundert auf Grund des Meeresspiegelanstiegs und eines Sicherheitszuschlages von 50 cm.

Die Ostseeküste ist in Schleswig-Holstein wesentlich dichter besiedelt als die Westküste. In den Küstenorten befindet sich ein Großteil der touristischen Infrastruktur, aber auch der Industrie in gefährdeten Bereichen. Gerade dort gestaltet sich aber auch der Neubau von Küstenschutzbauwerken auf Grund des fehlenden Platzes oder auch eines fehlenden Problembewusstseins schwierig: Aus Sicht der Tourismuswirtschaft sollen die Wege zum Strand möglichst kurz sein, weshalb man jahrelang auf notwendige Sicherheitsabstände zum Meer verzichtet hat.

Siehe auch:

Sturmflut 1872
Nord- und Ostseeküste im Vergleich
Steilküste

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