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Der Protestzug zur Feldstraße © izrg

Über 5.000 Menschen versammeln sich am Abend des 3. November 1918 auf dem Exerzierplatz im Viehburgergehölz in Kiel. Neben den aufgebrachten Matrosen sind auch viele Zivilisten unter den Protestierenden. Die Zivilbevölkerung ist durch den "Stadtalarm" der Marineführung, der die Matrosen am frühen Nachmittag auf die Schiffe zurückbeordern sollte, darauf Aufmerksam geworden, dass etwas nicht stimmt. Die meisten Soldaten haben den Alarm jedoch ignoriert – auch weil die Marineführung am Morgen weitere 57 Marinesoldaten von Bord der "Markgraf" verhaften ließ.

Die Demonstranten fordern – so ein Augenzeuge – "Beendigung des Krieges, Frieden, Freiheit und Brot". Unter den Rednern sind der Arbeiter an der Germaniawerft Hans Artelt, der auf der Versammlung am Vortrag als erster Sprecher auch politische Forderungen gestellt hat und der Kieler Gewerkschaftsvorsitzende Gustav Garbe. Dieser möchte die Anwesenden beschwichtigen und schlägt vor, die Demonstration um einige Tage zu verschieben, damit mehr Kieler Arbeiterinnen und Arbeiter teilnehmen könnten. Der Versuch der Beruhigung hat keinen Erfolg. Die Anwesenden greifen Aufrufe auf, die inhaftierten Kameraden zu befreien: Ein Zug setzt sich Richtung Innenstadt in Bewegung.

Zunächst ziehen die Demonstranten zur "Waldwiese", der Unterkunft einer Marinekompanie, um weitere Kameraden mitzureißen. Dort erbeuten sie auch einige Gewehre. Dann marschiert der Zug über Rondeel und Sophienblatt zum Bahnhof, wo bei einem Handgemenge mit einer Patrouille eine Frau von einer Straßenbahn überrollt wird und stirbt. Die Menge zieht weiter durch die Holstenstraße, über den Markt, die Dänische Straße und in die Brunswiker Straße mit dem Ziel des Arresthauses in der Feldstrasse. Gegen 19 Uhr trifft der Zug in der Karlstraße auf eine aufgestellte Polizeikette; doch die vom hinteren Teil des Zuges immer weiter nach vorne gedrängten Menschenmassen überrennen die Polizeisperre. Dann kommt der Zug doch zum Stehen: Der junge Reserveleutnant Steinhäuser stellt sich dem Demonstranten mit etwas mehr als 30 Soldaten entgegen. Gouverneur Souchon hat die Truppe aus der Ausbildungskompanie der Torpedo-Division zusammengestellt und mit Pistolen bewaffnet, als er von der Vorfällen an der "Waldwiese" gehört hat. Der Befehl: Den Demonstranten "mit allen Mitteln entgegenzutreten" und "rücksichtslos von der Waffe Gebrauch zu machen". Die Situation eskaliert, Schüsse fallen. Die Menge sowie auch die Torpedo-Devision flüchten in alle Richtungen. Letztendlich treibt die Feuerwehr die Menschen endgültig auseinander. Traurige Bilanz der Schießerei zwischen der der Marineleitung loyalen Einheit und den Demonstranten: Sieben Todesopfer, 29 Verletzte.

Der genaue Ablauf der Ereignisse lässt sich nicht mehr rekonstruieren, die verschiedenen Beteiligten berichteten Widersprüchliches, wie auch die Erinnerungen von zwei Zeitzeugen Jahrzehnte später bestätigen. Umstritten ist, wer den ersten Schuss abgab: Kam er aus den Reihen der Demonstranten? Oder aus der Waffe eines Soldaten, der undiszipliniert war oder die Nerven verloren hat – wie Leutnant Steinhäuser später berichtete? Oder gab der Offizier selbst letztendlich den Befehl, auf die Demonstranten zu schießen, weil seine Einheit sich immer mehr in die Enge getrieben fühlte?

In einer Krisensitzung nach 23 Uhr in der Marinestation unter der Leitung von Gouverneur Souchon kommen der Militärpolizeimeister und Stadtkommandant wie auch der Chef des Stabes, Admiral Küsel, in der Beurteilung überein, weiterhin "Herr(en) der Situation" zu sein. Sie leiten gegen die Anführer der Revolution keine Schritte ein und befehlen für die folgenden Tage lediglich "Bereitschaft" . Eine falsche Einschätzung der Lage, die weit reichende Folgen haben wird...

Siehe auch:

Wilhelm A. Souchon
Marsch der Matrosen

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