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Revolutionärer Pressespiegel © izrg

Für Leser der „Schleswig-Holsteinischen Volks=Zeitung“, der Tageszeitung der SPD, spiegelt sich die Revolution in Schlagzeilen:

Am 1. November 1918 heißt es auf der Titelseite der Schleswig-Holsteinischen Volks=Zeitung: „Wann geht er?“, gemeint ist Kaiser Wilhelm II. Am 4. November, nach der Schießerei mit Toten und Verletzten in der Karlstraße, lautet die Überschrift: „Das Ende mit Schrecken?“ und der Leitartikel ist eine „Mahnung zur Besonnenheit.“ Noch will die SPD-Zeitung die Revolution verhindern: „Die Hydra des Aufruhrs hat gestern Abend ihr wildes Schlangenhaupt erhoben. Abteilungen von Maaten und Applikanten verteidigten mit Maschinengewehren, Gewehren und Revolvern das Gefängnis in der Feldstraße gegen meuternde Matrosen, die ihre Kameraden daraus befreien wollten. Soll wirklich die Selbstzerfleischung das Ende mit Schrecken werden, nach dem Schrecken ohne Ende? ... Das ist das Unheilvolle und Tragische der gegenwärtigen Lage, daß das Böse fortzeugend böses gebiert.“ Und weiter heißt es in der verunsicherten Zeitung: „Die bedauerlichen Vorgänge in Kiel haben uns veranlasst, sofort einen Vertreter nach Berlin zu entsenden. Genosse Kürbis hat heute früh mit der Regierung verhandelt. Er trifft abends wieder in Kiel ein, und dann wird gehandelt.“ Die SPD bitte „dringend, dass die Arbeiter in den Betrieben bleiben.“ Am Tag darauf, am 5. November ist die Volkszeitung dann auf der Seite der Revolutionäre: „Die Flotte unter der Roten Fahne. Der Sieg der Freiheit.“ Am 9. November lautet die Schlagzeile korrekt: „Sturmlauf der Revolution.“, am 11. November feiert die Zeitung die „Gründung der Deutschen Volksrepublik“. Entsprechend der Linie der MSPD fordert das Blatt am 16. November „die konstituierende Nationalversammlung“ und appelliert während der Straßenkämpfe in Berlin am 13. Januar 1919 an ihre Leser: „Für Sozialismus und Demokratie! Gegen Terror und Anarchie!“

Hier im Kleinen, in der „Schleswig-Holsteinischen Volks=Zeitung“, spiegelt sich also das schwierige Verhältnis von SPD und Revolution: Die Ziele von Aufständischen und SPD sind deckungsgleich, und es sind die eigenen Anhänger, die auf der Straße demonstrieren. Dennoch macht der Umsturz den sozialdemokratischen Politikern Angst, setzen sie doch auf Reform statt Revolution, werden sie vom Geschehen überrollt und gleichzeitig in verantwortliche Führungsrollen gewünscht. Schließlich waren sie es, die jahrzehntelang den bevorstehenden Ausbruch des Sozialismus gepredigt, auch geglaubt haben – und sich dennoch an den bürgerlichen Eliten orientierten, deren Anerkennung suchten.

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