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Widerstand © izrg

Wenige Akteure in Schleswig-Holstein leisteten politischen Widerstand gegen das NS-Regime.

Eigentlicher politischer Widerstand konnte im Klima des Aufbruchs und der Gewaltherrschaft des NS-Regimes kaum gedeihen. Er war auch in Schleswig-Holstein eine Sache weniger Personen. Sie stammten vor allem aus dem Milieu der zerschlagenen Arbeiterbewegung, mehrheitlich Kommunisten, Sozialdemokraten oder Gewerkschafter. Während die kommunistische Widerstandsarbeit - unter hohen Risiken und vergeblich - auf die Überzeugung und Umkehr der "Massen" zielte, konzentrierte sich die Arbeit des sozialdemokratischen Widerstands auf den Zusammenhalt des eigenen Milieus. Zusammenarbeit zwischen den seit der Weimarer Zeit verfeindeten linken Parteien gab es nur im Ausnahmefall. Beide Parteien bildeten Auslandsorganisationen in Kopenhagen.

In der Grenzregion bestand Widerstandstätigkeit vor allem darin, fliehende Emigranten nach Skandinavien zu schleusen und auf dem umgekehrten Weg illegale Schriften ins Reich zu schmuggeln. Drehscheiben von Grenzschleusungen bildeten Eckernförde, Flensburg-Harrislee, Fehmarn, Kiel und Lübeck-Travemünde. Aus Lübeck floh Anfang April 1933 Deutschlands später bekanntester "Emigrant": Herbert Frahm, alias Willy Brandt.

Bis 1936/1937 gelang es der Gestapo, den organisierten politischen Widerstand völlig zu zerschlagen. Verbindungen ins skandinavische Exil kamen zum Erliegen. Fahndungserfolge basierten auf Aussagen bei "verschärfter Vernehmung", oder es war gelungen, Akteure "umzudrehen" und als Spitzel zu nutzen. Bis 1945 bildeten sich indes immer wieder neue kleine Widerstandszirkel. Insgesamt aber muss der politische Widerstand als wirkungslos und teilweise selbstmörderisch bewertet werden: Weder ließen sich die "Volksgenossen" merklich beeindrucken, noch mussten sich die NS-Machthaber fürchten. Allerdings repräsentierten die Angehörigen des Widerstands im Denken und Handeln ein "anderes Deutschland", sodass ihrem Wirken große symbolische Bedeutung für die deutsche NS-Nachgeschichte zukommt.

In der Endphase der NS-Herrschaft beschränkten sich ehemalige Angehörige der Arbeiterparteien in Schleswig-Holstein meist auf die vorsichtige Wiederaufnahme von internen Kontakten für den späteren Neubeginn. Bemerkenswert allerdings war der beginnende Widerstand innerhalb der Gruppen ausländischer Zwangsarbeitender. Nachdem am 20. Juli 1944 das Attentat Carl Schenk von Stauffenbergs auf Hitler und der bürgerlich-militärische Widerstand gescheitert waren, verfolgte das NS-Regime nicht nur die Beteiligten, sondern bekämpfte mit der "Aktion Gewitter" noch einmal alle, die es für Gegner hielt. Der Lübecker Dr. Julius Leber gehörte noch im Januar 1945 zu den letzten Opfern des "Volkgerichtshofs".

Auch in der evangelischen und der katholischen Kirche gab es nur einzelne Personen, die individuellen Widerstand unterschiedlichster Form leisteten, wie die Lübecker Geistlichen: vom Verteilen verbotener Schriften über Hilfe für Verfolgte bis zu politischen Umsturzplänen. Auch "Zeugen Jehovas" pflegten in Schleswig-Holstein konspirative Kontakte, verteilten ihre verbotenen Schriften und Flugblätter; ob man dieses Netz als Untergrundorganisation des Widerstandes werten soll, ist in der Forschung strittig. Der NS-Staat erachtete jegliche Betätigung der Zeugen Jehovas als "staatsfeindlich" und verfolgte sie hart.

Der Begriff "Dissens" rückt jenes abweichende Verhalten in den Vordergrund, das von den "Volksgenossen" als "Abseits-Stehen", "Kritikasterei" oder "Heimtücke" begriffen wurde und im Krieg schließlich - auch juristisch - als "volksschädlich" tituliert wurde. Gemeint sind etwa folgende in schleswig-holsteinischen SD-Berichten, polizeilichen Ermittlungen und Akten des "Sondergerichts" vielfach überlieferte Handlungen: Verweigerung des "Hitlergrußes"; "Gemecker" über politische Entscheidungen; "Verunglimpfung" nationalsozialistischer Symbole oder Würdenträger; Hilfen für "Juden"; im Krieg das Hören von "Feindsendern" oder die Nichtbeachtung des Verbotes, mit "Fremdarbeitern" an einem Tisch zu essen. Diese Eigensinnigkeiten oder kleinen Verweigerungen offenbaren eine beachtliche Bandbreite von Verhaltensweisen, die mit klaren Gegenpolen wie Anpassung und Widerstand nicht erfasst werden können.

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NS-Herrschaft
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