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Ära Stoltenberg-Steffen © izrg

Die "Ära Stoltenberg-Steffen" in den 1970er Jahren: Ein Schlaglicht auf die schleswig-holsteinische Landespolitik.

Die „Ära Stoltenberg-Steffen“: Ein Schlaglicht auf die schleswig-holsteinische Nachkriegspolitik

Nach einer langen Phase christdemokratischer Regierungsarbeit in Schleswig-Holstein, prägten in den 1970er Jahren die beiden Spitzenpolitiker der großen Volksparteien Gerhard Stoltenberg (CDU) und Joachim Steffen (SPD) das politische Klima im Land maßgeblich. Die 1970er Jahre waren das Jahrzehnt nach der Großen Koalition auf Bundesebene und der „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO). Zunächst herrschte eine wahre „Reformeuphorie“ während der Regierungszeit der SPD-FDP-Koalition unter Willy Brandt (SPD) zwischen 1969 und 1974, anschließend machte sich unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) eher ein Gefühl der politischen Ernüchterung breit. Die Phase war einerseits geprägt von zuversichtlichen Vorstellungen einer gerechteren, besseren, mutig gewandelten gesellschaftlichen Zukunft, anderseits fanden bürgerlich-konservative Abwehrkämpfe statt. Joachim Steffen – der „rote Jochen“ – kämpfte als Wortführer einer linksorientierten SPD auf der einen Seite, der „kühle Klare“ Stoltenberg von der CDU auf der anderen. In dieser Zeit fanden vor allem landespolitische Konflikte um die Bildungspolitik statt.

Die Landtagswahl 1971 kann als Höhenpunkt der „Ära Stoltenberg-Steffen“ bezeichnet werden: Der außergewöhnlich erbittert geführte Wahlkampf spitzte sich wie nie zuvor auf zwei Personen zu. Die mit großer Spannung erwartete Wahl ging sehr eindeutig aus: Die CDU Stoltenbergs erlangte mit 51,9 % ihr bestes Ergebnis; und sie erzielte einen Vorsprung von 11 % vor der SPD.

Während der ersten Legislaturperiode der Regierung Stoltenberg verabschiedete der Landtag das „Landschaftspflegegesetz“, das erstmals Naturschutz garantierte. Umstritten war 1972 der „Radikalenerlass“: die Vereinbarung der Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzler Brandt über Überprüfungen aller Bewerberinnen und Bewerber für den Öffentlichen Dienst, ob sie Mitglied in einer extremistischen Organisation seien beziehungsweise die Gewähr dafür böten, auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen.

Personell deuteten sich bei Regierung wie Opposition schon jetzt Wandlungen an: Im Mai 1973 rückte der 29-jährige Uwe Barschel in die Rolle des Vorsitzenden der CDU-Fraktion auf. Oppositionsführer Steffen kündigte nach einem Unfall 1973 an, den Fraktionsvorsitz niederzulegen und 1975 nicht wieder als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stehen. Noch einmal allerdings ließ sich der gesundheitlich Angeschlagene zum Landesvorsitzenden seiner Partei wählen. Im Frühjahr 1973 wählte die SPD-Fraktion den 32-jährigen Klaus Matthiesen zum Oppositionsführer.

Matthiesen war bei den Landtagswahlen 1975 auch SPD-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten. Stoltenberg gelang es, die absolute Mehrheit der CDU mit 50,5 % zu verteidigen, die SPD erlangte 40,1 %. Die Regierung besaß fortan nur eine einzige Stimme Mehrheit. Zwei große Konfliktthemen beherrschten die folgende Legislaturperiode: die Bildungspolitik und der Streit um das Kernkraftwerk Brokdorf. 1976 erließ die Landesregierung die Baugenehmigung für das Atomkraftwerk Brokdorf. Erbitterter, teilweise gewalttätiger Widerstand von Atomkraftgegnern folgte. Auch die Landes-SPD nahm eine ablehnende Haltung ein: Solange die Entsorgungsfrage nicht geklärt sei, dürfe nicht gebaut werden. Die Verwaltungsgerichte gaben den Skeptikern recht: Bis zur Lösung der Entsorgungsfrage erließen sie einen Baustopp für Brokdorf.

Bei der Landtagswahl 1979 sank der Stimmenanteil der CDU auf 48,3 %, die SPD erzielte 41,7 %. Die CDU behielt ihren Vorsprung von einer Stimme im Parlament – die Opposition scheiterte am entscheidenden letzten Mandat. Die Legislaturperiode brachte noch einmal die bekannten Konflikte auf den Punkt; sie wurden jetzt entschieden: Brokdorf wurde gebaut und schließlich 1986 in Betrieb genommen, und die Debatte um Gesamtschulen erklärte Kultusminister Bendixen (CDU) im Dezember 1981 schlicht für beendet: Die Versuche hätten erwiesen, dass das dreigliedrige Schulsystem überlegen sei und bessere Lernleistungen aufweise.

Personell kündigte sich jetzt das Ende der 1970er Jahre in Schleswig-Holstein an. Joachim Steffen hatte im November 1979 die SPD endgültig verlassen. Sein Nachfolger Klaus Matthiesen blieb zwar Oppositionsführer, wollte und sollte aber nicht ein drittes Mal kandidieren. 1983 wollte die Landes-SPD mit Bundesbildungsminister Björn Engholm als Spitzenkandidat antreten. Als Helmut Kohl im Oktober 1982 Bundeskanzler wurde, holte er Gerhard Stoltenberg als Bundesfinanzminister nach Bonn. Im gleichen Monat wurde Uwe Barschel vom Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt. Ab 1982 hieß damit die Konstellation Barschel-Engholm, die in eine andere Zeit verwies. Der Einfluss der beiden Kontrahenten Stoltenberg und Steffen war jedoch auch jetzt noch vorhanden: Stoltenberg blieb CDU Landeschef. Und Steffen wirkte indirekt weiter, er hatte eine Generation von Sozialdemokraten geprägt.

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