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Zwangsarbeitende © izrg

Etwa 225.000 ausländische zivile "Fremdarbeiter", Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge müssen zwischen 1939 und 1945 in Schleswig-Holstein Zwangsarbeit leisten.

In Schleswig-Holstein lebten zwischen 1939 und 1945 insgesamt etwa 225.000 zivile "Fremdarbeiter", Kriegsgefangene und ausländische KZ-Häftlinge. Diese Männer und Frauen sowie oft auch Jugendliche ersetzten in Industrie, Landwirtschaft und allen weiteren Branchen jene Arbeitskräfte, die durch den Einsatz an der Front fehlten. Der "Arbeitseinsatz" erreichte Ende 1944 seinen Höchststand. Am 30. September 1944 waren in der Provinz 134.000 "Fremdarbeiterinnen" und "Fremdarbeiter" registriert, die Mehrheit der ausländischen Arbeitskräfte stammte aus der Sowjetunion ("Ostarbeiter") und Polen. Ein Drittel der polnischen und die Mehrheit der sowjetischen Arbeitskräfte waren Frauen und Mädchen. Über 40 % der Ausländer waren in der Landwirtschaft beschäftigt - zwischen 80 und 95 % der Bauernhöfe hatten mindestens einen "Fremdarbeiter". Die Zahl der Kriegsgefangenen lag im Januar 1944 über 64.000.

Bald nach Kriegsausbruch im September 1939 hatte die NS-Führung beschlossen, zur Sicherung der Kriegswirtschaft auf den "Arbeitseinsatz" von Ausländern zu setzen. Die deutsche Kriegswirtschaft und damit auch die Aufrechterhaltung der "Heimatfront" waren nicht zu denken ohne den Einsatz von reichsweit etwa 13,5 Millionen ausländischen Arbeitskräften, die anfangs in einer Mischung aus Anwerbung und Druck, später durchweg zwangsweise aus von Deutschland besetzten Gebieten in das Reich verschleppt wurden. Wer in das System der deutschen Zwangsarbeit geriet, wurde grundsätzlich nicht wieder entlassen. Nur die gnadenlose Rücksendung im schweren Krankheitsfall und - anfangs - bei Schwangerschaft führten in die Heimat zurück. Abgesehen von Wehrmacht und Arbeitsverwaltung lag der "Arbeitseinsatz" fest in Händen der NSDAP: Die "Deutsche Arbeitsfront" (DAF) des Robert Ley organisierte die Lager-Betreuung und der Apparat des "Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz", Fritz Sauckel, verantwortete die gewaltsamen Aushebungen ab 1942.

Im Umgang mit den "Fremdarbeitern" spiegelte sich die NS-Rassenideologie. In Westeuropa Ausgehobene behandelte man besser als "slawische" Polen, die das diskriminierende "P" an der Kleidung trugen. Ganz unten in der rassenideologisch bestimmten Hierarchie waren die mit dem Aufnäher "OST" gekennzeichneten "Ostarbeiter" [mehr]. Zumeist zwangsweise aus der Heimat verschleppt, von Verwandten und Freunden getrennt, wurden Polen und "Ostarbeiter" nach der Ankunft in Schleswig-Holstein zunächst mit den deutlich sichtbaren Aufnähern stigmatisiert und dann Arbeitgebern zugewiesen. Generell boten industrielle Betriebe und Lager lange Arbeitszeiten und Kontaktmöglichkeiten mit Angehörigen der gleichen Nation, dafür war die Versorgung in der Regel nicht hinreichend. Die Ernährungslage auf dem Lande war meist besser, dafür drohten Isolation und persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Für ausländische "Zivilarbeiter" und Kriegsgefangene galten besondere Gesetze ("Sonderstrafrecht"), die für den geringsten "Ungehorsam" "Arbeitserziehungslager" oder Todesstrafe vorsahen. Strafverfahren gegen Polen und "Ostarbeiter" gehörten in die Zuständigkeit der Gestapo und des "Reichssicherheitshauptamtes": Öffentliche Hinrichtungen von Zwangsarbeitern fanden vor allem wegen verbotenen sexuellen Kontakts zwischen Ausländern und deutschen "Volksgenossen" statt.

Der "Arbeitseinsatz" produzierte gesellschaftliche Probleme an der "Heimatfront": Rassenideologisch "minderwertig" Slawen und sowjetische "Untermenschen", mit denen deutsche "Volksgenossen" keinen nahen Kontakt haben und denen sie nur mit Geringschätzung und Abscheu begegnen sollten, waren in der heimischen Kriegswirtschaft tätig. In industriellen Zentren trennte man die "Fremdarbeiter" nach Nationen unterschieden in Lagersystemen von den "arischen" Volksgenossen. Auf dem Lande war dies nicht möglich: Hier lebten die Arbeiter mit ihren deutschen Arbeitgebern auf dem bäuerlichen Hof zusammen. Missachtung sollte sich dann symbolisch ausdrücken, etwa durch das Verbot der oft selbstverständlichen "Tischgemeinschaft" beim Essen. Das überlieferte Verhalten deutscher Arbeitgeber wies eine große Bandbreite auf: Von achtungsvollem Umgang und gemeinsamer Weihnachtsfeier bis hin zu exzessiver Prügelstrafe und polizeilichen Anzeigen mit gefährlichen Folgen für die Betroffenen.

Nach Kriegsende befanden sich etwa 300.000 "gestrandete" Ausländer - ehemalige Fremdarbeiter, Kriegsgefangene oder KZ-Insassen in Schleswig-Holstein. Die alliierten Behörden fassten sie unter dem Begriff "Displaced Persons" zusammen und bemühten sich um eine schnelle, jedoch für die Betroffenen oft nicht unproblematisch "Repatriierung", die Rückführung in die Heimat.

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