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Nachkriegszeit © izrg

Schwieriger Weg ins "Wirtschaftswunder" - Schleswig-Holsteins Industrie in der Nachkriegszeit.

Schleswig-Holsteins Industrialisierung hatte im Vergleich zu den großen deutschen Industrierevieren spät und auf niedrigem Niveau stattgefunden. Einige wenige Zentren mit eindeutigen Schwerpunkten entstanden: zum Beispiel Baumwoll- und Tuchindustrie in Neumünster, Gerberei- und Lederindustrie in Elmshorn, Zementindustrie in Itzehoe und Lägerdorf, Eisen- und Stahlverhüttung in Büdelsdorf/Rendsburg, Neumünster und Lübeck, industrieller Schiffbau im "Reichskriegshafen" Kiel, in Flensburg, Lübeck, Rendsburg, Husum und Büsum. Im 20. Jahrhundert entfalteten die metallerzeugende und -verarbeitende sowie die Schiffbauindustrie besondere Bedeutung für das Land. Wirkliche industrielle Ballungszentren wie etwa an der Ruhr waren das allerdings nicht. Schleswig-Holstein blieb - bis in die 1960er Jahre hinein - ein ländlich und auch landwirtschaftlich geprägtes Land.

(Schwer-)Industrie - das war im "Zweiten Weltkrieg" vor allem Rüstungsindustrie, weshalb die schleswig-holsteinische Industrie nach Kriegsende nicht nur mit verlorenen Absatzmärkten (beispielsweise hatte Lübeck mit der Zonengrenze das wichtige Hinterland verloren), schweren Zerstörungen durch den Bombenkrieg, sondern auch mit Demontagen durch die britische Besatzungsmacht zu kämpfen hatte. Die Produktion der "Friedensindustrie" lief nur schleppend an, es fehlte an Roh- und Treibstoffen. Viele Arbeiter hatten zudem mit noch viel grundlegenderen Problemen wie nicht ausreichendem Wohnraum und fehlender Kleidung zu kämpfen.

Nicht zuletzt durch die enorme Zahl der "Flüchtlinge" und "Vertriebenen" stieg die Zahl der Arbeitslosen rapide an. Hatte in den ersten Nachkriegsjahren noch ein großer Mangel an Facharbeitskräften geherrscht, erreichte die Arbeitslosenquote in Schleswig-Holstein 1950 bundesweit einzigartige 25,2 Prozent! Allerdings leisteten viele der Neuankömmlinge wichtige Wiederaufbauarbeit: Ein Großteil der bis 1947 zu zählenden insgesamt 1.000 Neugründungen von Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie, der Holzverarbeitung, der Glas- und Keramikindustrie sowie in der chemischen Industrie ging von "Flüchtlingen" und Evakuierten aus, auf alle Neugründungen gerechnet mehr als 60%.

Auch wenn der Aufstieg in Schleswig-Holstein vielleicht nicht ganz so schillernd verlaufen war wie anderswo, so präsentierte sich das Land im "Wirtschaftswunder" als ein hochmoderner Industriestandort. Der wirtschaftliche Aufstieg des "Flüchtlingslands" Schleswig-Holstein könne "als gelungen bezeichnet" werden, schrieb der damalige Hauptgeschäftsführer der "Industrie- und Handelskammer zu Kiel", Hans R. Kreplin: "Man wagt nicht zuviel mit der Behauptung, dass dieses Ergebnis von der volkswirtschaftlichen Theorie eigentlich kaum zu erwarten gewesen wäre." Gerade die besonders starken Probleme des Landes hätten, so konnte man im Februar 1958 im "Handelsblatt" lesen, den "Anstoß für eine dritte und besonders lebhafte Industrialisierungswelle" gegeben. Der Streik der Metallarbeiter 1956/57 in Schleswig-Holstein zeigt jedoch deutlich, dass neben dem Wirtschaftswachstum noch Vieles auf der Strecke geblieben ist, so zum Beispiel die Teilhabe der Arbeiterschaft am "Wirtschaftswunder".

Der Schiffbau des Landes habe, so werteten Fachleute, nach der gestatteten Wiederaufnahme der Arbeit als Leitsektor den Aufstieg der Wirtschaft bereitet: 28 Werften mit 30.000 Beschäftigten erreichten 1956 570 Millionen DM Umsatz! Schrittmacher der Branche war die einzige nach dem Krieg in Kiel verbliebene Großwerft "Howaldtswerke-Deutsche Werft" (HDW). Insgesamt waren 1958 in der Industrie des Landes ungefähr 160.000 Menschen beschäftigt. Lübeck beherbergte das Metallhüttenwerk "Herrenwyk", die "Flenderwerft", Maschinenbau sowie Marmeladen- und Marzipanproduktion. Im Wirtschaftsraum Flensburg dominierten die Werft und eine Papierfabrik, die neue Bekleidungsindustrie und schließlich die traditionelle Rumbrennerei. Die Kieler MaK("Maschinenbau Kiel AG") produzierten wieder Triebwagen und Maschinen. In Rendsburg florierten mehrere Werften, eine Düngerfabrik sowie die "Ahlmann-Carlshütte" als bedeutendste Gießerei des Nordens. In Neumünster waren zur traditionellen Textil- und Lederindustrie Betriebe der Bekleidungsindustrie hinzugekommen. In Dithmarschen förderte man wieder Öl, immerhin ein Zehntel der gesamten Erdölförderung der Bundesrepublik. Die großindustriellen Zementwerke in Lägerdorf, Itzehoe und Lübeck sowie insgesamt 75 Ziegeleien nutzten Bodenschätze des Landes. Nach Ende der Nachkriegszeit zeigte sich jedoch, dass die wichtigste Region des industriellen Wachstums in Schleswig-Holstein das Hamburger Umland, beispielsweise der Landkreis Stormarn, werden würde.

Diese Geschichte erscheint in folgenden Themen:
Industrieller Strukturwandel
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