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Tourismus in der Nachkriegszeit © izrg

Erstaunlich schnell kommt in den Nachkriegsjahren Fremdenverkehr in der Region wieder in Gang.

Erstaunlich schnell kam in den Nachkriegsjahren der Fremdenverkehr in der Region wieder in Gang. Noch während einquartierte Flüchtlinge und Vertriebene unfreiwillig Gästebetten blockierten, boomte der Tourismus: 1950 kamen bereits wieder fast 370.000 Gäste nach Schleswig-Holstein, zählte man über zwei Millionen Übernachtungen. Schon 1953 übertraf man die Gästezahlen der Vorkriegszeit. 766.900 Gäste brachten es genau zehn Jahre nach Kriegsende auf 4.839.700 registrierte, also versteuerte und gegebenenfalls mit Kurtaxen verbundene Übernachtungen. Während des bundesdeutschen "Wirtschaftswunders" zog es Urlauber nicht nur ins Traumland Italien, sondern auch ins heimische Bayern oder Schleswig-Holstein. Das nördliche Ferienland profitierte zudem davon, dass mit dem "Eisernen Vorhang" die traditionellen Ostseebäder der mecklenburgischen und pommerschen Küste als Konkurrenten weg gebrochen waren. Anders als im 19. Jahrhundert waren die Seebäder zudem von verbesserten Anreisemöglichkeiten begünstigt.

1955 hatte erst die Hälfte der Bundesdeutschen in den vergangenen sieben Jahren eine Urlaubsreise gemacht; von einem Massentourismus kann also erst mit Beginn der 1960er Jahre gesprochen werden. In Schleswig-Holstein stiegen die Zahlen jedoch bereits in den 1950er Jahren rapide an. Wachsender Wohlstand und Automobilisierung sorgte zusammen mit einer Verlängerung der durchschnittlichen Jahresurlaubszeit für einen Boom des Fremdenverkehrs, nicht zuletzt auch an den schleswig-holsteinischen Küsten. Das Ausbaukonzept des Landes lautete, Massentourismus und individuelle Wünsche parallel zu pflegen, eng benachbart differierende Preiskategorien und Zielgruppen zu bedienen. Bis 1964 verdreifachten sich die Übernachtungszahlen der Vorkriegszeit.

Viele wollten am Ausbau des Fremdenverkehrs teilhaben. Veränderte Profile der Seebäder sorgen dafür, dass jüngere Seebäder, wie beispielsweise Timmendorfer Strand, größere Anteile an den Gästezahlen haben. Anfangs überwogen kommerzielle Herbergen, aber 1960 gab es mehr Betten in Privatquartieren als in Hotels, Pensionen, Gasthäusern und Kurheimen; noch 1970 überwogen die kleinen Privatquartiere deutlich.

Auf die Ausweitung des Massentourismus reagierte die Landesplanung in den 1960er Jahren zunächst mit der Ausweisung von "Gestaltungs- und Entwicklungsräumen" an der Ostküste, vor allem im so genannten "Zonenrandgebiet", wo besonders viele Subventionen flossen. Vorbilder für die uniformen, bis zu 1.000 und mehr Einheiten umfassenden "Bettenburgen" lieferten Urlauberzentren im Mittelmeerraum. Das Ergebnis bildeten 16 "förderwürdige" Großvorhaben an der Ostseeküste. Insgesamt 800 Millionen DM begünstigter Investitionen flossen und erzeugten einen Anstieg der gewerblichen Bettenkapazitäten um 50 Prozent: "Panoramic" in Sierksdorf, der "IFA-Südstrand" in Burgtiefe auf Fehmarn, der "Ferienpark" Heiligenhafen, die "Ferienzentren" Weißenhäuser Strand und Holm, die "Marina Wendtorf" und "Damp 2000" mit allein 6.000 Betten. Die Einrichtungen wirkten anonym, uniform und öde und bedrohten die historische Identität vor allem der traditionellen Seebäder wie Travemünde und damit deren größtes Kapital.

Bereits 1971 zog die Landesregierung die Notbremse und verweigerte 15 weiteren Projekten die Förderung, ab 1979 waren derartige Großvorhaben in Schleswig-Holstein nicht mehr zulässig. Insgesamt betrachtet scheint die Umkehr der politischen Planung zur rechten Zeit erfolgt zu sein, aus ökonomischen wie aus ökologischen Gesichtspunkten, die auch im Tourismus zunehmend Platz fanden. Das Musterbeispiel: Der zunächst gerade bei betroffenen Anrainern und Vermietern höchst umstrittene "Nationalpark Wattenmeer" ist inzwischen fester und nicht hinterfragter Bestandteil der Tourismuswerbung. Zum Schutz der natürlichen Umwelt begann in den 1970ern die Debatte um einen "sanften Tourismus". Seither wurden einige Konflikte zwischen Naturschutz und Tourismus durch Ausgleich beigelegt. Parallel wandelten sich Wünsche der Urlauber, die neben der Kur, dem Strand und dem Bad zunehmend auch naturnahe "Events", sportliche und sogar kulturelle Angebote schätzten.

Mit dem Fall der Mauer im November 1989 wurden aus Sicht der Gewerbetreibenden in den Badeorten Schleswig-Holsteins die Befürchtungen wahr: mit Mecklenburg-Vorpommern (wieder-)erwachte eine bedrohliche, weil unverbaute, naturnahe und vor allem billigere Konkurrenz. Tatsächlich sank die Zahl der Übernachtungen in Schleswig-Holstein zwischen 1992 und 1999 um 7% während sie im gleichen Zeitraum im neuen Nachbar-Bundesland um 133% stieg!

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Bädertourismus
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