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Badeleben © izrg

Badekarren, FKK und Seehundjagd: Badeleben an den Stränden der Nord- und Ostsee

"Sehen und gesehen werden" – das war seit der Eröffnung der ersten Seebäder an den Küsten der Region Teil einer jeden Badereise. Wichtiger war zunächst jedoch auch das Nicht-"gesehen werden", denn die gesellschaftlichen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts verboten vor allem für die Angehörigen der badenden Oberschicht den öffentlichen Anblick unbedeckter Körper(-teile). Nacktbaden blieb bis weit ins 20. Jahrhunderts verboten und verpönt. Frauen und Männer nahmen getrennt das Bad im Meer ein. Frühe Versuche, die Badenden mittels kleiner Schiffe ("Badeschaluppen") die Möglichkeit zu geben, geschützt vor fremden Blicken zu baden, scheiterten: die Badegäste waren nicht seefest genug. Durchsetzen konnte sich hingegen die Erfindung der Badekarren, die bis zum Ende des Jahrhunderts den einzig standesgemäßen Zugang zum Bad boten.

Überhaupt unterlag das Bade-"Vergnügen" strengen Regeln: Die Trennung nach Geschlechtern verstand sich von selbst, gemeinsames Baden im "Familienbad" – zu dem allerdings Junggesellen keinen Zutritt hatten – war erst ab der Saison 1902 in den schleswig-holsteinischen Seebädern möglich.

Streng geregelt auch die Badezeiten: Auf Sylt herrschte noch 1906 eine offizielle Badezeit von 6 Uhr morgens bis 1 Uhr mittags, außerhalb der das Baden verboten war. Gleiches galt für das "wilde" Baden außerhalb der dafür vorgesehen Plätze oder mit nicht vorschriftsmäßiger Badekleidung. Was darunter zu verstehen war, konnte der Badegast bereits vor der Ankunft den Badevorschriften entnehmen: Zugelassen waren ausschließlich "hochgeschlossene, von dunkler Farbe, bezw. aus undurchsichtigen Stoffen hergestellte" Badeanzüge, wie die "Bestimmungen über die Benutzung des Familienbades" in Büsum von 1903 vorschrieben. Neben diesen strikten Vorgaben war die Bademode dennoch ein wichtiges Element der Freizeitgestaltung an Nord- und Ostsee und gleichzeitig gesellschaftlicher Gradmesser.

Ein weiterer Aspekt des Strandlebens fand auf der gesellschaftlichen Ebene statt. Langsam entwickelte sich das Baden von einem Privileg weniger zum Vergnügen einer zunächst immer noch dünnen bürgerlichen Schicht und schließlich zu einem Massenphänomen. Die Herausbildung bestimmter Profile, wie beispielsweise das "mondäne" Westerland und das eher kleinbürgerliche Büsum an der Nordseeküste, bewirkte, dass die gesellschaftlichen Kreise geschlossen waren – man blieb unter sich. Das beförderte geschäftliche Verbindungen ebenso wie amouröse. In Westerland auf Sylt existierte um die Jahrhundertwende tatsächlich ein, wenn auch inoffizielles "Verlobungsbüro".

Als ebenso wichtig wie das Strandleben erachteten die Gäste reine Unterhaltung sowie die repräsentative Freizeitgestaltung. Neben dem Promenieren warben alle Seebäder mit vornehmen Sportangeboten: Tennis, Rudern, Segeln, Golf und – um die Jahrhundertwende noch recht bürgerlich – Fußball. Als regionale Spielart der Bewegung war bereits früh das Wattlaufen beliebt. Es wurden Strandläufer- und Kinderfeste, Tennisturniere und Burgenbauwettbewerbe abgehalten; auch Feuerwerke veranstaltet, Strände und Dünen mit modernem elektrischem Licht erleuchtet. Und die Inseln warben mit der Jagd auf Wasservögel und Seehunde; in der Tat gehörte die Seehundjagd zu den beliebtesten Freizeitvergnügungen vieler Nordseebäder. Der Bau von Sandburgen war selbstverständlich Teil der Strandroutine, wobei die Strandburg durchaus unterschiedliche Funktionen annehmen konnten.

Neben den verschiedenen Profilen der Seebäder, die im Laufe des 20. Jahrhunderts durchaus Wandlungen durchliefen, zeig(t)en sich auch grundsätzliche Unterschiede zwischen Badegästen, die die Seebäder an der Ostsee ansteuerten und denjenigen, welche den Badeurlaub an der Nordsee bevorzug(t)en. Während an der rauen Nordseeküste oftmals Individualtouristen (auch außerhalb der Sommermonate) Erholung such(t)en, waren und sind es vor allem Familien, die von der Beschaulichkeit der Strandroutine am Ostseestrand angezogen werden.

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Bädertourismus
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