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Erinnerungen © izrg

Auseinandersetzungen um die "richtige" Erinnerung an die Novemberrevolution in Kiel.

Das Erscheinungsbild Kiels ist geprägt von Zeugnissen, die an die Vergangenheit der ehemaligen Kriegsmarinestadt erinnern: Das monumentale U-Boot-Ehrenmal in Möltenort, das nicht minder prominente Marine-Ehrenmal in Laboe und nicht zu vergessen das am Fördeufer aufgestellte U-Boot. Auch in der Stadt begegnen Spaziergängern Denkmälern, welche die Siege und Leitfiguren des 1918/19 zusammengebrochenen Deutschen Kaiserreichs zur Schau stellen: Bismarck im „Hiroschima-Park“, Kaiser Wilhelm I. zu Pferd im Schlossgarten, gleich neben dem Denkmal der Schlacht von Sedan. Unübersehbar sind die Traditionslinien, die sich Kiel für ihren Aufstieg als „Reichsmarinestadt“ oder „Reichskriegshafen“ suchte.

Vergleichsweise schwer tat sich Kiel hingegen mit der Erinnerung an jene Tage im November 1918, in denen die Stadt Ausgangspunkt umwälzender Ereignisse war. Denn es lohnt noch heute ein Stadtrundgang zu den Schauplätzen der Revolution:

Versteckt auf dem Eichhoffriedhof findet sich ein Ensemble von Grabsteinen, in deren Mitte ein Gedenkstein die letzte „Ruhestätte der Opfer der Revolution“ markiert. Dort liegen auch Tote begraben, die den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit den Unruhen im Januar 1919 und dem „Kapp-Lüttwitz-Putsch“ 1920 in Kiel zum Opfer fielen.

Zum sechzigsten Jahrestag der Revolution im Jahr 1978 beantragte die SPD-Fraktion in der Kieler Ratsversammlung einen „Ideenwettbewerb zur Aufstellung eines künstlerischen Zeichens zur Erinnerung an die Ereignisse vom November 1918“. Die Debatten, die die Entstehung des Denkmals bis zu seiner Einweihung begleiteten, spiegeln den schwierigen Prozess der Geschichtsdeutung wider; nicht zuletzt ging es um die Frage nach der Einordnung und der Bewertung der Ereignisse, die auch die wissenschaftliche Literatur kontrovers darstellt und interpretiert: Zielte die Revolution – wie in den 1950er und 1960er Jahren wiederholt festgestellt wurde – auf die Errichtung eines diktatorischen Rätesystems nach russischem Vorbild? Handelte es sich bei den aufbegehrenden Matrosen gar um „Meuterer“, denen ein Mahnmal unter allen Umständen zu verweigern sei? Oder fand in der Revolution nicht vielmehr das überkommene Kaiserreich sein Ende und gleichzeitig die junge, unsichere deutsche Demokratie ihren Anfang?

Auf eine übergreifende Interpretation der Ereignisse konnte sich die Ratsversammlung nicht einigen, weshalb die CDU-Fraktion – mit Ausnahme des Stadtpräsidenten Eckardt Sauerbaum – am 16. Juni 1982 der Einweihung des Denkmals im „Ratsdienergarten“ am Kleinen Kiel fernblieb. Der schließlich realisierte, umstrittene Entwurf des Denkmals stammt vom Hannoveraner Hans-Jürgen Breuste. Der Künstler will damit an die aufständischen Heizer auf den Kriegsschiffen erinnern. Das Denkmal trägt den Titel „Feuer aus den Kesseln“ – in Anlehnung an das gleichnamige Revolutionsdrama von Ernst Toller aus dem Jahr 1930. Aus diesem Stück stammt auch die Inschrift: „der die Pfade bereitet, stirbt an der Schwelle, doch es neigt sich vor ihm in Ehrfurcht der Tod.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) tat sich hingegen weitaus weniger schwer mit dem Gedenken an die Revolutionäre. Ebenfalls zum 60. Jahrestag enthüllte der DGB anlässlich einer Feierstunde eine vergleichsweise schlichte Tafel an der Mauer des Gewerkschaftshauses in der Legienstraße, wo 60 Jahre zuvor die aufständischen Kieler Matrosen zunächst zusammen kamen und tagten.

Im Herbst 1989 erstellte eine Künstlergruppe das Kunstwerk „Revolution und Krieg“ an der Wand des funktionsfähigen Gaardener Bunkers unter der Leitung des persischen Künstlers Shahin Charmi.

Diese Geschichte erscheint in folgenden Themen:
Revolution 1918-1920
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