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Persönliche Erinnerungen an Dr. Heyde alias Sawade

"Herrn Dr. Heyde alias Sawade habe ich anlässlich eines Termins vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht als Gutachter in den Jahren zwischen 1956 und 1959 erlebt. In dieser Zeit war ich als Terminvertreter für das Land Schleswig-Holstein in Versorgungsprozessen regelmäßig ein bis zweimal in der Woche in Schleswig tätig.

Herrn Dr. Sawade, wie er sich damals nannte, wirkte wie ein freundlicher älterer Teddybär in seinem Auftreten. Seine mündlich abgegebenen Gutachten waren kurz, präzise und überzeugend. Schriftlich zusammengefasst waren sie kaum länger als eine DIN A4 Seite. Er wurde deswegen auch von den Senatoren als Gutachter besonders geschätzt. In Gesprächen mit Kollegen und Richtern des Landessozialgerichts habe ich diese Hochschätzung des Fachmanns Sawade immer wieder feststellen müssen.

Sawade nahm auch keine Rücksicht auf Vorgutachten, selbst wenn deren Verfasser der Ordinarius der Psychiatrie in Kiel wie Herr Professor Dr. Creutzfeld war. Detlev Godau-Schüttke schildert in seinem exzellenten Werk über den Fall Heyde/Sawade die Reaktionen von Prof. Dr. Creutzfeld, der Ende 1954 die leitenden Richter des Landessozialgerichts über die wahre Identität des Dr. Sawade endlich offiziell schriftlich aufklärte.

Vor seiner endgültigen offiziellen Enttarnung Ende 1959 habe ich auch unter der Hand nichts von seinem Doppelleben - auch nicht mit dem bezeichnenden Augenzwinkern - gehört, obwohl ich seit 1950 in Flensburg wohnte, dort und in Schleswig als Referendar bis Sommer 1954 ständig Kontakt zu Angehörigen der Justiz und einem großen Freundeskreis über die schwiegerelterliche Familie hatte.

Das Doppelleben des Dr. Heyde/Sawade ist offenbar von den Mitwissern bis zu seiner offiziellen Enttarnung im Dezember 1959 nicht ,auf dem Markt' gehandelt worden, sondern, aus welchen Gründen auch immer, säuberlich verschwiegen worden. Schließlich waren sich ja alle Mitwisser als Juristen ihres strafbaren Verhaltens bewusst, und die Ärzte waren es auf Grund ihrer beruflichen Schweigepflicht gewohnt, insbesondere einem Kollegen gegenüber, diskret zu sein. Auch wollte man sicherlich nicht als Denunziant erscheinen.

Nach seiner Enttarnung 1959 und seinem Selbstmord 1964 war der Fall Heyde/Sawade, soweit ich mich erinnere, kein öffentliches Gesprächsthema mehr. Selbst das 1971 erschienene Taschenbuch von dem bekannten DDR-Anwalt Dr. Kaul über den Fall Heyde/Sawade war meines Wissen kein Renner und wurde wegen des Verfassers als ,Kommunistenmachwerk' angesehen und beurteilt, obwohl es fast ausschließlich auf den Protokollen des Untersuchungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages basierte."

Klaus Müller-Boysen aus Neumünster hatte in den 50er Jahren beruflich oft am Landessozialgericht Schleswig zu tun und kannte Heyde/Sawade als Gutachter. Bei der Bewertung dieser Erinnerungen gilt es den großen zeitlichen Abstand zwischen Erinnerung und Geschehnis genauso zu berücksichtigen wie die persönliche Sichtweise der Zeitzeugen.

Eine ganz andere Art der Begegnung mit Dr. Heyde/Sawade hatte W.L. Christiansen aus Flensburg:

"Ich bin einmal von diesem Menschen untersucht worden. Heyde/Sawade war damals Gutachter des Versorgungsamtes Flensburg. Ich weiß heute gar nicht mehr, um was es eigentlich ging. Wahrscheinlich um eine Begutachtung, ob ich Kriegsbeschädigter war. Die Untersuchung fand im Gebäude der ehemaligen Marinesportschule Mürwik statt. Natürlich hat er mich dabei berührt. Was geblieben ist, sind Schauer, die mir noch heute den Rücken herunterlaufen, wenn ich bei irgendwelchen Anlässen an diese Vergangenheit erinnert werde. Da kommt man nichtsahnend und voller Vertrauen zu einem Menschen, der einmal den Ärzteeid geschworen hat und muss später hören, dass man von einem ,Menschenverachter mit krimineller Vergangenheit' begutachtet worden ist. Eines weiß ich, egal wie alt ich werde. Die unschöne Erinnerung bleibt."

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