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Timmermann

„Wir werden an der Lagerpforte ausgeladen und uns selbst überlassen. ‚Sucht euch eine Unterkunft“!‘ So wandert meine Mutter los und sucht in den Baracken nach einem Raum. Die Pferdeställe sind alle schon besetzt, einige Baracken scheinen noch leer zu sein. Wir finden einen Raum, in dem acht zweistöckige Betten stehen. Wir bekommen für fünf Personen vier Betten! Mit uns ziehen noch sechs weitere Frauen mit Kindern ein. Hier werden wir bleiben. Das Lager Oksbøl wuchs bald auf eine Größe von 35.000 Menschen an und entsprach damit der Einwohnerzahl einer mittelgroßen dänischen Provinzstadt. Unseren Raum teilen sich nun achtzehn Personen: sieben Frauen, elf Kinder im Alter von drei bis fünfzehn Jahren. Unsere Wohnung besteht aus zwei Doppelbetten, einem Gang dazwischen, einem schmalen Spind an der Wand und einem Tisch mit vier Schemeln vor den Betten. Ich habe fast zwei Jahre mit meiner Mutter ein Bett geteilt. Die Matratzen sind Strohsäcke, die Kissen sind mit Stroh gefüllt, die Decken haben die Soldaten uns hinterlassen. Manche Flüchtlinge haben ihre Federbetten mit auf die Flucht genommen, diese sind dann natürlich Kostbarkeiten. Unsere „Haustür“ ist ein Wollplaid, das die Flucht mitgemacht hat. Es wird zwischen den beiden Bettgestellen aufgehängt und schirmt uns vor den anderen Mitbewohnerinnen ab, wenn es ans Ausziehen, Umziehen, Anziehen geht. Jede Familie im Zimmer hat sich so einen Sichtschutz geschaffen. Wärmen wird uns ein Kanonenoffen, der zwischen den Fenstern steht. Wir feuern ihn mit Briketts und geklautem Holz. Das Ofenrohr geht durch die Barackenwand nach draußen. Die Baracke hat einen Gemeinschaftswaschraum, der auch als Waschküche dient.“

Fast 50 Jahre später erinnert sich Margarete Timmermann an ihre Ankunft und Unterkunft im Flüchtlingslager Oksbøl. Sie ist mit ihrer Familie aus Königsberg über Oranienburg nach Dänemark geflohen ist. Bei der Bewertung dieser Erinnerungen gilt es den großen zeitlichen Abstand zwischen Geschehnis und Erinnerung genauso zu berücksichtigen wie die persönliche Sichtweise der Zeitzeugin. Realität und Fiktion können teilweise verschwimmen.

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