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Memoiren Wilhelm II

„Neben der Einseitigkeit der Schulbildung fiel mir besonders die Richtung auf, in der sich die Lebenspläne der damaligen Jugend bewegten. Es waltete vorherrschend die Überlegung, wie man als Beamter Karriere machen wollte, wobei der Jurist und Assessor immer als das erstrebenswerteste Ziel galten. Das rührte wohl daher, daß die Verhältnisse des alten Preußens im jungen Deutschen Reiche noch nachwirkten. Solange der Staat sozusagen aus Regierung und Vaterland bestand, war jene Lebensrichtung der deutschen Jugend verständlich und berechtigt; sie war, als wir im Beamtenstaat lebten, für einen jungen Mann der gegebene Weg, dem Staate zu dienen. […] Nachdem nun aber Deutschland auch in die Weltwirtschaft und in die Weltpolitik als nicht zu unterschätzender Faktor eingetreten war, hätte sich die Gedankenwelt der deutschen Jugend schneller umstellen sollen.[…] Gewiß hat es auch damals schon in Deutschland unternehmende Männer gegeben – leuchtende Namen dafür können genannt werden - , aber der Gedanke nicht in einer bestimmten, amtlich bescheinigten Tour, sondern im freien Wettbewerb dem Vaterlande zu dienen, war noch nicht genügend Allgemeingut geworden. Deshalb habe ich das englische Beispiel herangezogen, denn es erscheint mir richtiger, vorurteilslos das Gute zu nehmen, wo man es findet, als mit Scheuklappen durch die Welt zu gehen. Aus solchen Erwägungen heraus erkämpfte ich als Kaiser für meine deutsche Jugend die Schulreform gegen einen verzweifelten Widerstand der Philologie innerhalb und außerhalb des Ministeriums und der Schulkreise. Die Reform ist leider nicht so geworden, wie ich sie erhoffte, und hat nicht zu dem Ergebnis geführt, das ich erwartet hatte. […] Wären die Deutschen aller Schichten und Stände zur Freude und zum Stolze an ihrem Vaterlande erzogen gewesen, dann wäre eine solche Selbsterniedrigung eines großen Volkes undenkbar gewesen. Diese Erniedrigung, die sich gewiß unter besonderen, äußerst schwierigen Verhältnissen vollzog, ist um so weniger verständlich, als die deutsche Jugend, trotzdem sie überstudiert und nicht so sportgestählt war als die englische, im Weltkrieg glänzende, nirgends erreichte Leistungen vollbracht hat.“

In seinen Memoiren aus dem Jahre 1922 schildert der ehemalige Deutsche Kaiser Wilhelm II. seine Beweggründe für den neuen Kurs in der Bildungspolitik nach 1890.

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