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Dansk version

Brief einer Zwangsarbeiterin

"Am 12. Januar 1942 schreibt die junge polnischen Zwangsarbeiterin Irene [korrekt: Irena] S. an ihre Freundin in der Heimat. Die deutsche Sicherheitspolizei .fischt. den Brief bei einer Hausdurchsuchung im Zielort Prezemysl ab und übersetzt:

Lübeck, den 12.1.1942
Liebe Halinka!
Dein Brief hat aus meinen Augen viel Tränen hervorgebracht. Ihr könnte Euch in der Heimat gar nicht vorstellen, was ein Brief aus der Heimat in der Fremde bedeutet. ... Hier tun sie uns behandeln wie die Juden in Lemberg. Hier müssen wir kräftig das P auf dem Mantel und dem Kleid tragen, ... Was es sich um Essen handelt, laufen wir dauernd hungernd herum. Denn ein Pole brauch nicht zu essen, er kann höchstens krepieren. ... Polen und Polinnen gibt es hier [in Lübeck] über 4000 aus ganz Polen. Wir werden hier am schlimmsten betrachtet. ... Wir tun uns deshalb nicht sehr kränken und tragen mit Stolz unser P und halten es für eine Ehre, dass wir Polen sind. ... Wenn wir irgendwo gehen, so singen wir und sind voll Humor, um den Deutschen zu zeigen, dass sie uns nicht so schnell vernichten können. ... Ich gehe höchstens einmal in zwei Wochen in die Kirche, da hier einmal in zwei Wochen eine polnische Messe abgehandelt wird. Dir ist doch bekannt, dass den deutschen Frauen und Männern der Verkehr mit Polen verboten ist. ... Das Leben ist hier nicht zum aushalten. Ich selbst weiss nicht wie lange ich noch hier aushalten werde, ich gehe oft an den Strand und denke nach, ob ich hineinspringen soll und meinem Leben in dieser Hölle ein Ende machen soll. ... Es grüsst und küsst Dich Deine Irene. [...]
Irene S. Lübeck-Siems, Gothmundlager

Das Schleswig-Holsteinische .Sondergericht. verurteilt Irena S. aufgrund des Briefinhalts wegen .Deutschfeindlicher Gesinnung. zu drei Jahren verschärftem Straflager. . Ihr weiterer Verbleib ist unbekannt.

Briefe wie dieser zählen zu den raren Quellen, die die direktesten und zeitlich unmittelbarsten Äußerungen ausländischer Arbeitskräfte über ihr Leben und Arbeiten enthalten. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dagegen betrachten die Ereignisse Jahrzehnte später anders: Sie waren äußeren Einflüssen ausgesetzt, haben zwischenzeitlich neue Informationen und Interpretationen aufgenommen und erinnern sich vor allem an für sie besonders bedeutungsvolle Personen oder Ereignisse. Sie haben die Vergangenheit für sich eingeordnet und moduliert."

Quelle: LAS Abt. 358 Nr. 5397

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