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Rede Juchacz

„Meine Herren und Damen! (Heiterkeit).

Es ist das erstemal, dass in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat. (Sehr richtig! bei den Sozialisten) Die Frauen besitzen heute das ihnen zustehende Recht der Staatsbürgerinnen. Gemäß ihrer Weltanschauung konnte und durfte eine vom Volke beauftragte sozialistische Regierung nicht anders handeln, wie sie gehandelt hat. Sie hat getan, was sie tun musste, als sie bei der Vorbereitung dieser Versammlung die Frauen als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen anerkannte. (Sehr richtig! bei den Sozialisten)

Ich möchte hier feststellen und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist. (Sehr richtig! bei den Sozialisten)

Wollte die Regierung eine demokratische Verfassung vorbereiten, dann gehörte zu dieser Vorbereitung das Volk, das ganze Volk in seiner Vertretung. Die Männer, die dem weiblichen Teil der deutschen Bevölkerung das bisher zu Unrecht vorenthaltene Staatsbürgerrecht gegeben haben, haben damit eine für jeden gerecht denkenden Menschen, auch für jeden Demokraten selbstverständliche Pflicht erfüllt. Unsere Pflicht aber ist es, hier auszusprechen, was für immer in den Annalen der Geschichte festgehalten werden wird, dass es die erste sozialdemokratische Regierung gewesen ist, die ein Ende gemacht hat mit der politischen Unmündigkeit der deutschen Frau. (Bravo! bei den Sozialisten) Durch die politische Gleichstellung ist nun meinem Geschlecht die Möglichkeit gegeben zur vollen Entfaltung seiner Kräfte. Mit Recht wird man erst jetzt von einem neuen Deutschland sprechen können und von der Souveränität des ganzen Volkes. Durch diese volle Demokratie ist aber auch zum Ausdruck gebracht worden, dass die Politik in Zukunft kein Handwerk sein soll. Scharfes, kluges Denken, ruhiges Abwägen und warmes menschliches Fühlen gehören zusammen in einer vom ganzen Volke gewählten Körperschaft, in der über das zukünftige Wohl und Wehe des ganzen Volkes entschieden werden soll.

Der Herr Ministerpräsident hat in seinem Regierungsprogramm einen Ausblick gegeben für unser Arbeiten in der Zukunft. Er hat aber auch zu gleicher Zeit einen besonderen Ausblick gegeben für das Wirken der Frauen im neuen Deutschland. Er hat uns weite hoffnungsvolle Perspektiven gegeben für unser Arbeiten. Ich möchte hier sagen, dass die Frauenfrage, so wie sie jetzt in Deutschland, in ihrem alten Sinne nicht mehr besteht, dass sie gelöst ist. (Sehr richtig! bei den Sozialisten)

Wir werden es nicht mehr nötig haben, mit Versammlungen, mit Resolutionen, mit Eingaben um unser Recht zu kämpfen. Der politische Kampf, der immer bestehen bleiben wird, wird sich von nun an in anderen Formen abspielen. Innerhalb des durch Weltanschauung und selbstgewählte Parteigruppierungen gezogenen Rahmens haben wir Frauen nunmehr Gelegenheit, unsere Kräfte auswirken zu lassen.

Aber damit begeben wir uns nun keineswegs des Rechts, andersgeartete Menschen, weibliche Menschen zu sein. Es wird uns nicht einfallen, unser Frauentum zu verleugnen, weil wir in die politische Arena getreten sind und für die Rechte des Volkes mitkämpfen. (Bravo! bei den Sozialisten) Kein Punkt des neuen Regierungsprogramms ist da, an dem wir sozialdemokratischen Frauen ohne Interesse wären.

Ich begrüße es ganz besonders, dass im Regierungsprogramm bekundet wird, dass auch das Verwaltungswesen demokratisiert werden soll, so dass in Zukunft den Frauen auch Gelegenheit gegeben sein wird, mit in alle offenstehende Ämter einzutreten. (Sehr richtig! Links)

Ich betrachte den Punkt des Arbeitsprogramms, der da sagt: Heranziehung der Frauen zum öffentlichen Dienst, entsprechend den auf allen Gebieten vermehrten Frauenaufgaben, nur als eine Konsequenz des jetzt gegebenen Zustandes. (Sehr richtig! Links.) Ich bringe diesem Passus durchaus kein Misstrauen entgegen, sondern betrachte es als eine Selbstverständlichkeit, dass auch in der neuen Verfassung, die wir mit schaffen helfen werden, die Frau als gleichberechtigte und freie Staatsbürgerin neben dem Manne stehen wird. Ich wünsche ganz besonders, dass bei den jetzt schon fälligen Aufgaben im Verwaltungswesen die Frauen mit herangezogen werden, und denke dabei in aller erster Linie an eine Stelle, die nach meinem Dafürhalten im Arbeitsamt des Reiches einrichtet werden müsste, wo Frauen selbständig arbeiten, bei der Witwen- und Waisenfürsorge, bei der Regelung der Fürsorge für Kriegshinterbliebene. (Sehr richtig! bei den Sozialisten) Das ist ein Gebiet, in welches die Frauen einfach hineinpassen und hineingehören nach ihrer ganzen Veranlagung und wo sie für das Wohl das Volkes Ersprießliches leisten können.

Wir Frauen werden mit ganz besonderem Eifer tätig sein auf dem Gebiet des Schulwesens, auf dem Gebiet der allgemeinen Volksbildung, und ich glaube, hier aussprechen zu dürfen, dass die Mütter es ganz besonders begrüßen müssen, dass auch nun wir Frauen Gelegenheit haben werden, unsere Kinder den Bildungsanstalten zuzuführen, welche das neue Deutschland ihnen öffnen wird.

Die gesamte Sozialpolitik überhaupt, einschließlich des Mutterschutzes, der Säuglings- und Kinderfürsorge, wird im weitesten Sinne Spezialgebiet der Frauen sein müssen. Die Wohnungsfrage, die Volksgesundheit, die Jugendpflege, die Arbeitslosenfürsorge sind Gebiete, an denen das weibliche Geschlecht besonders interessiert ist und für welche das weibliche Geschlecht ganz besonders geeignet ist. (Sehr richtig! Links)

Hier möchte ich einflechten und glaube, damit einem Wunsche weiter großer Kreise Ausdruck zu geben: es ist jetzt schon im Moment bitter notwendig, dass die Bezüge unserer Alters- und Invalidenrentner aufgebessert werden. (Sehr richtig! Links.) Es ist absolut keine Kategorie von Menschen da, die so unter der Not des Krieges, unter dem Elend, den Folgeerscheinungen des Krieges leiden muss, wie diese Ärmsten und Bedauernswerten. (Erneute Zustimmung Links).

An einem gesunden Aufbau unseres Wirtschaftslebens sind wir Frauen gleicherweise interessiert wie die Männer und jede einzelne Frau wird in ihrer Partnergruppe nach ihrer Weltanschauung das Beste dazu geben, dass wir wieder zu einer Gesundung unseres Wirtschaftslebens kommen. Wissen doch gerade wir Frauen und Mütter am besten, was auf dem Spiele steht, wenn es uns nicht gelingt, uns wieder aus diesem Elend zu erheben, in dem wir uns jetzt befinden. (Sehr richtig! bei den Sozialisten)

Wir Frauen sind uns sehr bewusst, dass in zivilrechtlicher wie auch in wirtschaftlicher Beziehung die Frauen noch lange nicht die Gleichberechtigten sind. Wir wissen, dass hier noch mit sehr vielen Dingen der Vergangenheit aufzuräumen ist, die nicht von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen sind. Es wird hier angestrengtester und zielbewusstester Arbeit bedürfen, um den Frauen im staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Leben zu der Stellung zu verhelfen, die ihnen zukommt.

Zu all diesen Dingen, die wir uns vorstellen, hat die Umgestaltung unserer Staatsform zur Demokratie uns die Wege geöffnet. Jetzt heißt es, diese Wege zu beschreiten und das zu schaffen, was zum Glück unseres Volkes in der Zukunft notwendig ist. Zum Glück dieses Volkes, zur vollen Befreiung des Volkes ist aber notwendig, dass alle Parteien wissen, worauf es in jeder Stunde ankommt, und da möchte ich ganz besonders sagen, dass wir den Zug der Zeit nicht aufhalten dürfen, dass wir nicht bremsen dürfen, sondern immer mit vorwärts schreiten müssen, dass wir den Strömungen der Zeit ein psychologisches Verständnis entgegenbringen müssen.

Diese Strömungen, die aus der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung geboren werden, sind lange genug mit Gewalt, mit starrer Gewalt, die in unserem alten System wurzelte, zurückgehalten worden und konnten nicht zur Entfaltung kommen, bis es explodierte. Es ist hier in der politischen Debatte so manches gesagt worden, was mich zum Widerspruch reizte und zum Nachdenken gebracht hat.

...“

Quelle: Zit. nach: Quelle: http://www.heide-simonis.de/index.php?id=10 (Stand Dezember 2007).

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